Noch nie hat ein Staat seine Schulden zurückbezahlt
Nach dem Ersten Weltkrieg waren Sieger- wie Verlierernationen mit Rüstungsschulden und Reparationszahlungen konfrontiert. Als Amerika bei seinen Verbündeten überraschenderweise die Tilgung ihrer Schulden für Waffenkäufe einforderte, kapitulierte England, getreu der alten Denkweise, dass Schulden zurückgezahlt werden müssen, ganz gleich, ob es überhaupt möglich ist. Die amerikanische Forderung brachte die Alliierten dazu, sich an Deutschland schadlos zu halten. Nie zuvor hatte es Zahlungsverpflichtungen in diesem Umfang gegeben. Dennoch war Deutschland bemüht, ihnen durch Besteuerung der Wirtschaft nachzukommen. Da Steuern in der nationalen Währung erhoben werden, musste die Reichsbank diese Gelder in Pfund Sterling und andere Währungen umtauschen. England, Frankreich und die übrigen Empfängerländer konnten nun ihre interalliierten Schulden bei den Vereinigten Staaten begleichen.
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Je mehr Reichsmark umgetauscht wurden, desto tiefer fiel der Kurs gegenüber dem Dollar und anderen Goldstandard-Währungen. Importe wurden für Deutschland also immer teurer. Grund für die Hyperinflation war der Kollaps des Wechselkurses, nicht die aufgeblähte Geldmenge, wie heute von Monetaristen gern behauptet wird. […] Dieser Logik folgte der Internationale Währungsfonds fünfzig Jahre später, als er von verschuldeten Entwicklungsländern verlangte, Exporterlöse für den Schuldendienst zu verwenden, Kapitalflucht zu ermöglichen und die Auslandsschulden vollständig zu tilgen. Dies ist die neoliberale Politik, die jetzt Griechenland, Irland und Italien harte Einschnitte abverlangt.
[…] Dank der Bankkredite, die seit den Achtzigern eine globale Finanzblase angeheizt haben, sind wir heute mit einer Verschuldung konfrontiert, die ebenso wenig finanzierbar ist wie in den Zwanzigern, als Deutschland seine Reparationsschulden nicht bezahlen konnte.[…]
Der Rückblick in die Vergangenheit, den Michael Hudson hier anstellt, eröffnet eine gute Chance, die heutigen Verhältnisse in eine Perspektive zu rücken. Sein Essay klingt im Deutsch der FAZ ein wenig holprig, und ich hatte deshalb einige Mühe, seine Argumentation nachzuvollziehen. Trotzdem finde ich es wirklich hilfreich, wenn man vorgeführt bekommt, daß die Krise, die Europa momentan zu zerreißen droht, keinesfalls unvorhersehbares Schicksal ist, sondern einen überraschend ähnlichen Vorläufer hatte.
Hilfreich, mit einer Einschränkung: es kann einem das kalte Grausen einjagen.