20.2.2009

Netzwerkprodukte (24 / Kopierschutz/2)

(Themenanfang)

Ich will gar nicht grundsätzlich[1] gegen Kopierschutz argumentieren - m.E. ist es das unbestrittene Recht jeder Software-Firma, sich gegen Klau und unentgeltliche Verbreitung ihres Know-How zu wehren; Open-Source vertritt hier keineswegs ein moralisch überlegenes Konzept. Es ist aber allein aus technischen Gründen eher ungeschickt, einen wirtschaftlichen Plan zu verfolgen, der auf der Voraussetzung basiert, daß ein Kopierschutz auch hält. Man kann hohe Summen darauf wetten, daß die Community der Cracker ihr Ziel auch erreicht, wenn sie nur ausreichend motiviert ist - und sie ist dies ausgerechnet immer dann, wenn eine Software erfolgreich ist[2]. Letztlich hatte Steinberg Glück, daß trotz der Cracks, und obwohl man sich auf den Kopierschutz verlassen hatte, das Geschäft weiterging - ob dennoch Schaden entstand, wird seit Jahren in der Firma ebenso begeistert wie kontrovers diskutiert.

Dabei habe ich sogar den Verdacht, daß der Crack von Cubase für den Atari Mitte der 90er Steinberg letztlich sogar genutzt hat: auf einmal war es jedem möglich, das Programm zu verwenden - und zwar auch solchen Usern, die nie das Geld in eine doch recht teure Originalversion investiert hätten[3]. Der Begriff „Cubase” wurde gerade in dieser Zeit zu einem Synonym für den „Sequenzer”, etwa so, wie der Name „Word” sofort mit „Textverarbeitung” assoziiert ist - wofür die freie Verfügbarkeit zumindest einen Anteil hatte. Als später der ganze Rummel um „VST” (Virtual Studio Technologie) losging, brauchte das Marketing sich über mangelnde Resonanz keine Sorge zu machen: nicht zuletzt aufgrund der weiten Verbreitung durch Raubkopien machte das Thema rasch die Runde, und brachte reichlich Verkäufe. Manch einer, der mit einem Crack auf dem Atari gestartet war, mag erst über diese Schiene begriffen haben, was da auf einmal an neuen Möglichkeiten geboten wird - und wurde am Ende zum zahlenden Kunden.[4]

Richtig eklig wird es, wenn eine gecrackte Version besser funktioniert als die legale Variante - das ist uns gelegentlich tatsächlich unterlaufen, und hat, wie man sich denken kann, unserer Reputation nicht gerade gut getan. Gerade die 3er-Versionen der letzten Jahre waren zeitweilig derart mit Aufrufen des USB-Kopierschutzdongels durchsetzt, daß die Performance bei bestimmten Operationen deutlich in den Keller ging - nicht in der Audio- und MIDI-Engine, aber - schlimm genug - bei bestimmten Tasks in der Benutzeroberfläche. Spätestens in dieser Phase habe ich über die Treue unserer User nur gestaunt.[5]

Man kann am Beispiel der Plattenlabels sehr gut ablesen, was passiert, wenn man sich beim Vertrieb von digitalen Medien darin verbeißt, den physikalischen Datenträger zu verkaufen - das muß am Ende grandios scheitern, weil in der heutigen Realität so etwas wie das Internet existiert, dem auch mit schärfster Gesetzgebung und einer noch so großen Zahl Anwälte nicht beizukommen ist. Das Wesen von digitalen Daten ist ihre Kopierbarkeit, ob man das gut findet oder nicht (Musikdateien und Programme unterscheiden sich auf dieser Ebene nicht im mindesten).

Die Geschäftsmodelle liegen m.E. woanders, und im Bereich von Open-Source wird momentan erfolgreich vorgeführt, wo sie liegen: man kann angemessen Geld verdienen, indem man individuellen Service rund um die Daten anbietet. Dabei ist es egal, ob man Linux so aufbereitet, daß es in Form von Distributionen für den Handel taugt, oder ob man seine Musik frei im Netz verteilt und parallel 300-Dollar-Fanpakte verkauft.

Aber ich will dem Marketing nicht erklären, wie sich mit Konzepten von Open-Source Geld verdienen läßt - mir geht es darum, klar zu machen, daß es sich auch dort um ein Modell handelt, welches in stetig zunehmendem Maß versucht, am Markt erfolgreich zu sein. Das ist ein zentraler Punkt, den man m.E. in der Debatte gründlich übersieht: freie Software ist keine Vision einer freien Gesellschaft, sondern ein Geschäftsmodell innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung, das überraschend gut funktioniert[6]. Dabei bestreite ich gar nicht, daß viele Forderungen der Open-Source-Bewegung letztlich emanzipatorischen Charakter haben - der Kampf gegen Patente auf Software und die Erweiterung des Begriffs der „Redefreiheit” auf den Austausch digitaler Daten geht natürlich in genau die richtige Richtung. - Meine Kritik geht einen - prinzipiellen - Schritt weiter. (Anschluß: Wissen als Ware.)

  1. [1] Jedenfalls nicht, solange man die Arena der Debatte auf die real existierende Welt begrenzt.
  2. [2] Guter Kopierschutz scheint sie sogar erst recht herauszufordern - der Schutz in Cubase SX war eine richtig harte Nuß, und ich kann nur staunen, wie der regelmäßig geknackt wurde.
  3. [3] Das Argument ist nicht neu, wird aber gerne beiseite gedrängt: wer einen Crack nutzt, ist nicht zwangsläufig ein verlorener Kunde, sondern hätte das Programm möglicherweise auch sonst nicht gekauft - sei es, weil er nicht über das Geld verfügt, oder weil ihm das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht angemessen erscheint.
  4. [4] Interessanterweise war übrigens der Schutz der ersten VST-Versionen für den Mac relativ rasch ausgehebelt - und trotzdem haben wir einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Versionen für diese Plattform ausgeliefert, wenn man dies am damaligen Marktanteil von knapp 10% von Apple mißt.
  5. [5] Zu diesem Thema wäre noch einiges zu sagen: Cubase-User - oder auch solche von Produkten der Konkurrenz - sind weniger Kunden als vielmehr Fans. Richtig gerecht wird man dem man das m.E. noch immer nicht.
  6. [6] Dies tut es aus einem einfachen Grund: es akzeptiert die Gegebenheiten, statt sie sich zurecht zu biegen.
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