4.6.2008

Harzring (2)

Letztes Wochenende war Kurventraining auf dem Harzring, einmal mehr mit der Zweirad-Akademie, und einmal mehr als kompletter Wahnsinn, und zwar in mehr als einer Hinsicht [1].

Der Samstag war außerordentlich heiß, und die Lederkombi kaum zu ertragen. Die Rumturnerei auf dem Motorrad ist ja in jedem Fall eine schweißtreibende Angelegenheit; wenn es dann dreißig Grad und mehr im Schatten hat, kommt man auch in den Pausen kaum mehr mit der Körpertemperatur herunter. Naja, dafür haben die Reifen auf dem Asphalt geklebt, daß es eine Freude war.

Gleich im zweiten Turn flog mein Vor-Vorfahrer heftig aus der Kurve. Sein Hinterrad fing in höchster Schräglage an zu rutschen, und er machte das, was man intuitiv tut, wenn man zu schnell ist: er ging vom Gas. Dummerweise ist das so ziemlich die falschest mögliche Reaktion: das Hinterrad bekam augenblicklich wieder Grip, und hebelte das Motorrad über das Vorderrad aus. Der knapp zwei Meter große Mann wurde über das Motorrad geschleudert, flog mit ausgebreiteten Armen und Beinen durch die Luft, und hatte Glück, daß seine Maschine an ihm vorbei rutschte. Ich dachte, er hätte sich alle Knochen gebrochen - glücklicherweise blieb es bei einer Schlüsselbeinfraktur, und glücklicherweise blieb das der einzige Zwischenfall für den Rest der beiden Tage.

Elf Turns a fünfzehn Minuten, unterbrochen von dreißig Minuten Pause - das hört sich nicht sonderlich imposant an, hat es aber in sich. Den Turn nach der Mittagpause haben wir in der "schnellen Gruppe" geschlossen ausgesetzt, und auch der letzte fiel wegen mangelnder Konzentrationsfähigkeit aus - aus freier Entscheidung jedes einzelnen Teilnehmers, versteht sich, der Instruktor hätte weiter gemacht. - Ansonsten wiederholte sich das, was ich von einer ganzen Reihe ähnlicher Veranstaltungen her kenne: man fand sich auf dem - wirklich nicht einfach zu fahrenden - Kurs immer besser zurecht, die Ablösepunkte wanderten immer weiter nach hinten, und es wurde von Runde zu Runde schneller und schneller.

In der Nacht zog ein heftiges Gewitter mit starken Regenfällen durch den Harz. Als wir am Sonntag zu fahren begannen, war die Strecke zwar trocken, aber an vielen Stellen mit feinem Lehmstaub bedeckt, der durch den Einsatz eines Reinigungsfahrzeugs ein wenig aufgewirbelt, nicht aber beseitigt wurde. Auf den ersten beiden Turns hatte ich wieder und wieder mit einem rutschenden Hinterrad zu kämpfen, und auch, als danach dann genug Räder den Staub weggefräst hatten bzw. man die wenigen hartnäckigen Stellen kannte und in die Linie einbeziehen konnte, blieb bei mir eine ganze Weile eine tiefe Mißtrauenshaltung sitzen. Ich habe es immer wieder abreißen lassen, weil ich das Gefühl hatte, etwas zu riskieren, wenn ich maximale Schräglage fahre bzw. im Scheitelpunkt konsequent am Gas ziehe. Glücklicherweise war genug Platz, so daß der Instruktor mich gewähren lassen konnte und mich losgelöst vom Rest der Gruppe mein eigenes Ding fahren ließ.

Irgendwann hatte ich mich auf mein altes Niveau hochgetastet, und die letzten drei Turns habe ich nochmal deutlich darauf aufbauen können: ich habe endlich begriffen, wie man die Knie nicht nur auf den Boden bekommt, sondern dazu benutzt, das Mopped zu stabilisieren. Erst sind nämlich die Schleifer auf dem Asphalt, dann erst die Fußrasten. Die paar Millimeter dazwischen kann man mit minimalem Druck von den Knien austarieren - sprich: man hat eine Möglichkeit, sich an die maximal mögliche Schräglage aus zwei(!) Richtungen heranzutasten.

Der letzte Turn schließlich war eigentlich als relaxtes Ausrollen verabredet. Statt dessen fand ich mich in einer Gruppe wieder, in der der Fahrer der KTM-Duke (dem ich am Anfang des Tages nicht das Mindeste entgegenzusetzen hatte) sowie der Instruktor versammelt waren, und in der jeder dem anderen zum Schluß versicherte, daß dies doch jetzt die wirklich richtig schnellen Runden des Tages gewesen seien. - Was soll ich sagen - die gebunkerte Euphorie hält bis heute.

(Fortsetzung folgt)

  1. [1] Fotos gibt es schon zu sehen. Von neuen Freunden erzähle ich noch - und von der Anreise, deren Begleitumstände mir eh niemand glauben wird, sowieso.
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