6.11.2008

Ani DiFranco - Dilate

[Es dürfte klar sein, daß mich das "Ani-Thema" so schnell nicht losläßt - dabei werde ich den Teufel tun und jedes einzelne der 25 Alben hier besprechen. Mir fallen aber doch noch einige Aspekte auf, die ich unbedingt loswerden will.]

Musik und Text - das ist ein Thema, mit dem ich mich nur ungern auseinandersetzen mag. Musik hat, in meiner Wahrnehmung, eine ganz eigene Wirklichkeit, in der die konkreten Aussagen, die Sprache macht, oft wie Fremdkörper wirken (insofern habe ich zum gesamten Genre der Oper ein zwiespältiges Verhältnis - ein Thema, bei dem ich noch mehr zögere, mich zu äußern). Manchmal bin ich richtig dankbar, wenn im englischsprachigen Pop so genuschelt wird, daß ich kein Wort verstehe - oder wenn, wie bei Feist, mit Dadatexten gearbeitet wird, die sich einem konkreten Sinn verweigern.

Bei Ani DiFranco sieht das etwas anders aus. Ihre Texte sind längst keine reine Lyrik, die ohne Musik Bestand hätte; trotzdem haben sie eine Qualität, die deutlich über die Rolle hinausweisen, dem Chick Singer Worte in den Mund zu legen, mit denen er seine Melodie singen kann.

Einer ihrer bekannteren Songs thematisiert ihr eigenes Business, in dem man vor der Entscheidung steht, sich dem Establishment der Plattenindustrie anzuschließen, mit der Absicht, ein großes Publikum zu erreichen, oder - wie Ani dies tut - auf seiner Unabhängigkeit zu insistieren, in der Hoffnung, die Bodenhaftung nicht zu verlieren:

and i wonder when you're a big star
will you miss the earth

Denn, so ihre lakonische Einsicht - deren Formulierung einem freilich erstmal so einfallen muß:

everyone is a fucking napoleon

In den meisten Folksongs geht es um Liebeszeug, und an diesem Thema kommt auch Ani nicht vorbei (wie auch sollte das gehen). Im Titelsong des Albums heißt es:

every song has a you
a you that the singer sings to
and you're it this time
baby, you're it this time

Man könnte erwarten, daß das der Refrain wäre - der aber wird hier verweigert (zumindest im Text; die Musik ist anders - fast schon am Text vorbei - organisiert). Statt dessen wird eine Geschichte erzählt, deren Wendepunkt so lautet:

i just want you to live up to
the image of you i create
i see you and i'm so unsatisfied
i see you and i dilate

Das kann natürlich nicht gut gehen, und der Schluß beschwört eine Poesie der Einsamkeit, die mich wirklich (wirklich) anrührt:

the world is my oyster
the road is my home
and i know that i'm better
off alone

Ein letztes Beispiel: in "Adam and Eve" klingt das Liebesgeplänkel eher nach einem One-Night-Stand; auch das kann wehtun und Folgen haben, was aber voraussehbar wäre, wenn man die biblischen Figuren nur richtig deutet:

i did not design this game
i did not name the stakes
i just happen to like apples
and i am not afraid of snakes

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