Photoshop-Welten

- 1 -


In der letzten Zeit bin ich damit beschäftigt, mich in Photoshop einzuarbeiten. Ich habe mit dem Programm zwar schon früher gelegentlich – mit einer Raubkopie aus der Mitte der 90er Jahre – herumgespielt, aber nie versucht, damit ernsthaft Ergebnisse zu erzielen. Das sieht gerade anders aus. Ich habe eine Lizenz für Photoshop (CS4) gekauft, und mittlerweise einige Freizeit investiert, mich durch Einführungen und Tutorials zu kämpfen. - Dabei lerne ich überraschend viel, wie Userinterfaces (nicht) funktionieren, wenn man als Einsteiger vor einem hinlänglich komplexen Programm sitzt.

In all jenen Applikationen, die ich sonst täglich nutze, kenne ich mich mit großer Selbstverständlichkeit aus, und habe die Perspektive des Neulings längst verlernt. Dabei waren die Programme, mit denen ich vor über zwanzig Jahren begonnen habe, nicht annähernd so tief (bzw. verworren), wie dies heutige, an eine ganze Generation von speziallisierten Anwender adressierte Anwendungen zuweilen sind. Insofern ist es auch für meine Arbeit an Cubase grundsätzlich lehrreich, vor einem Programm zu sitzen, bei dem ich, als Neuling, selbst grundlegende Arbeitsschritte, den „Workflow“, nicht verstehe oder kenne, ja, nicht einmal antizipiere. – Ich komme auf das Thema zurück.

Original
Original

Farbabgleich (Kurve)
Farbabgleich (Kurve)

Maskiert (Helligkeit)
Maskiert (Helligkeit)

Maskiert (Scharz/Weiß)
Maskiert (Scharz/Weiß)

Das nebenstehende Foto stammt vom Berliner Hauptbahnhof, und das Original illustriert ein typisches Problem in der (digitalen wie analogen) Fotografie: die Szenerie ist derart kontrastreich, daß sie zwar das menschliche Auge ohne weiteres entschlüsselt, nicht jedoch der reduzierte Kontrastumfang einer Kamera. Der Blick durch das Glasdach in die Schneelandschaft draußen ist deutlich und scharf, während der Innenraum komplett in Schwarz versäuft. Dabei ist nicht etwa die Belichtung falsch gewählt: mit einer größeren Blende bekäme man zwar mehr Licht auf den Innenraum, wobei dann aber im Fenster lediglich konturloses Weiß zu sehen wäre.

Eine erste Möglichkeit, hier zu korrigieren, bietet die Veränderung der Farbkontraste. Man kann die „Tiefen“ (also die sehr dunklen Bereiche) heller machen, und die „Lichter“ (die hellen Bereiche) im Gegenzug dunkler. Die meisten Programme zur Fotobearbeitung bieten hier zumindest eine rudimentäre Funktionalität, die jedoch durchgängig nur wenige Steuerungsparameter bietet und nicht wirklich brauchbar ist. In Photoshop kann man den Farbverlauf direkt im Histogramm verändern – besser noch: in CS4 gibt es ein Tool, mit dem man direkt im Foto eine Stelle anklickt, um durch Mausbewegung den Farbverlauf an- oder abzuheben (Die Profis, die ich gesprochen habe, meckern an, daß es in CS4 im Vergleich zum Vorgänger keine wirklich neuen Funktionen gibt. Das ist wohl richtig – für mich bedeutet aber das neu gestaltete Userinterface für die Farbanpassung, daß ich auch ohne mehrjährige Erfahrung mit der Software rasch zu brauchbaren Ergebnissen komme).

Noch besser geht es, wenn man mit Masken arbeitet. Masken in Photoshop sind letztlich nichts anderes als Clip-Regions, wie sie zuerst auf dem Apple-Macintosh Mitte der 80er implementiert wurden, und selektieren bestimmte Bildschirmbereiche, auf die man dann die Wirkung einer bestimmten grafischen Funktion beschränken kann. In diesem Fall habe ich mit dem „Magic-Wand-Tool“ die dunklen Bereiche markiert und dort schlicht die Helligkeit angehoben. Die Lichter bleiben hingegen unverändert, und werden nicht matschig, wie im vorherigen Versuch.

Das vierte Bild ist schlicht ein Trick, bei dem dieselbe Maske in Schwarz-Weiß konvertiert wurde, während der Rest bleibt, wie er ist. Das ist natürlich kein Nachbearbeiten – oder „Entwickeln“ einer RAW-Datei – mehr, sondern ein Effekt. Man mag zu solchen Manipulationen unterschiedlicher Meinung sein – in diesem Fall ist m.E. die Bearbeitung aber gar nicht weit vom Original entfernt, sondern betont und variiert nur den ursprünglichen Effekt des „Versaufen“.

All diese Spielereien waren eine Sache von wenigen Minuten, und ich würde dafür auch nicht stundenlang vor dem Computer sitzen, wie dies die Profis zwangsläufig tun. „Einfach” wurde das freilich erst, nachdem ich – teilweise, in einem gewissen Rahmen – die prinzipiellen Zusammenhänge kapiert hatte.

(Bei Adobe TV findet sich eine ganze Serie interessanter Videos und Tutorials, u.a. eine beeindruckende Demo der „Mask“-Funktionalität.)



- 2 -


HH Altona, Mercato - Original
Original

HH Altona, Mercato - Ergebnis
Ergebnis

Hier kommt ein „Workflow”, der meinen Vorstellungen schon recht nahe ist – vom Original zum Ergebnis sind es gerade einmal drei einfache Schritte. Ich habe mittlerweile in dem – in jeder Hinsicht sehr empfehlenswerten – Photoshop-Buch von Sybille Mühlke geschmökert, und einen Weg gefunden, die in Photoshop eingebauten Automatismen recht flexibel zu nutzen. Dabei sind zudem alle Bearbeitungsschritte nicht-destruktiv, und lassen sich nachträglich rückgängig machen.

  • In der Layer-Ebene: Rechts-Klick auf das (bisher einzige) Layer, wähle "Convert to Smart Object".
  • Image > Adjustments > Shadows/Highlights. In diesem Dialog lassen sich mit wenigen Einstellungen durchweg brauchbare Ergebnisse erzielen – auf diese Weise bleibt einem der harte Weg durch die manuelle Einstellung der Color-Curve erspart.
  • Dank Smart-Objects lassen sich auch alle Filter nicht-destruktiv in Layer ordnen: Filter > Unsharp Mask. Man kann zunächst unrealistische Werte einstellen (Amount=500%, Radius=3.6), und hinterher die Opacity (hier auf 17%) einstellen (Rechtsklick > Edit Smart Filter Blending Options).
  • Zuletzt habe ich noch die „Auto Color“-Option verwendet – allerdings in einer reichlich versteckten, weit flexibleren Variante: im Adjustment Layer > Curves, danach Klick auf den „Auto“-Button mit gedrückter [Strg]+[Alt]-Taste – ein Dialog wird geöffnet, in dem man die drei Auto-Modi aus dem Image-Menu etwas präziser einstellen kann.

    Das „Curves“-Layer kann man jetzt aus- und einschalten, und außerdem graduell zum restlichen Bild hinzumischen (in diesem Fall zu 50%).



- 3 -


Selbst die kleinen Thumbnail-Vorschauen (größere Auflösung nach Klick) zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen Original (links) und Bearbeitung. Wo das Original matschig und zweidimensional-flach daher kommt, bietet die Bearbeitung deutlich mehr Details und Kontraste, ohne daß die ursprüngliche „Stimmung” verloren geht. Ich habe hier mit mehreren Masken gearbeitet (und einmal mehr eine Menge über die Möglichkeiten von Photoshop gelernt), die ich jeweils unterschiedlich bearbeitet habe: das Schloß im Hintergrund hat eine erhöhte Schärfe (eine eigene „Unsharp-Mask”); der Himmel sowie die Hecke am rechten Bildrand je eigene Farbkorrekturen.

Einige Stichworte (zur eigenen Referenz):

  • Masken kann man sehr effektiv mit dem „Color Range”-Dialog erstellen (erreichbar vom „Mask”-Panel).
  • Masken kann man im „Channels”-Panel getrennt anwählen und weiter bearbeiten.
  • Masken kann man gewissermaßen als Rohmaterial verwenden, um mit dem „Magic Wand”-Tool Selektionen zu machen. Man kann dann z.B. die Selektion als Clipping-Region verwenden, über die man mit einem „Photoshop-Pinsel” hinwegmalen kann, ohne den Bildbereich jenseits des Clippings zu berühren.



- 4 -


Das Foto hatte ich eigentlich nur für ein wenig Photoshop-“Training“ herausgesucht: der Vordergrund ist im Original kläglich abgesoffen, und ich habe versucht, einen neuen Temporekord aufzustellen, um ihn hervorzuholen. Dabei war ich dann doch rasch am experimentieren – das Stadtpanorama in der Bearbeitung (unten) hat eine spezielle Schärfenmaske, der Vordergrund hingegen ein „Surface-Blur“, ist also bewußt verwaschen.

Dadurch bekommt das Foto eine räumlich Tiefe, die es vorher nicht einmal ansatzweise hatte, und wodurch es überhaupt erst interessant wird.

(Ich habe noch versucht, die Gebäude im Hintergrund von den Details in der Mitte mit einer Maske zu trennen, bin daran aber bisher gescheitert).



- 5 -


Ich finde es schon ganz erstaunlich, was man am Computer aus einem Foto noch herausholen kann. Die beiden Bilder unten sind „davor” mit einer schon gar nicht schlechten DSLR (Olympus E-520 - noch vor zehn Jahren hätte ich mich entscheiden müssen, ob ich solch eine Kamera anschaffe, oder doch lieber ein neues Auto) und einem fast-professionellem Objektiv (Zuiko 14-54 / 2.8-3.5) geschossen, und „danach” in Photoschop bearbeitet. Die digitale Nachbearbeitung habe ich innerhalb weniger Minuten erledigt – allerdings erst, nachdem ich einige Zeit investiert hatte, mich in das Thema einzuarbeiten (wobei ich dort nach wie vor ein absoluter Anfänger bin).


Photoshop: Scharfzeichnen im Lab-Modus



Photoshop: Scharfzeichnen im Lab-Modus



- 6 -


Das Foto oben ist zuerst ein unschuldiger Schnappschuß. Dabei schildert es eine Geschichte, die geradezu dazu herausfordert, sie deutlicher herauszustellen: ein alter Mann scheint damit beschäftigt, eine jüngere Frau zu beeindrucken. – Ich habe den Hintergrund vorsichtig unscharf gestellt, um den Fokus auf die beiden Protagonisten der Szene zu lenken.

Dabei ist das nur jene Ebene, wie sie das Bild nahelegt: vielleicht hat hier ein Einheimischer ein Anliegen an die Touristin (tatsächlich stand der Mann später auf, und sprach gestikulierend auf die Frau ein – ich habe keine Ahnung, um was es da konkret ging).

Mit ein wenig Photoshop kann man eine Story basteln, die nur noch mit dem Foto, aber nichts mit den tatsächlichen Verhältnissen zu tun hat, und die ein Licht auf die beteiligten Personen wirft, das diese vielleicht überhaupt nicht goutieren – es ist ja nicht nur künstlich, sondern fabriziert möglicherweise eine glatte Lüge. Man wandert da, mit der Kamera in der Hand, auf einem außerordentlich schmalen Grat.

(Dabei wollte ich nur herausfinden, wie die Bildbearbeitung bei einem Foto in der heutigen ZEIT wohl funktioniert.)



- 7 -


Letzten Samstag kam die Nachbarschaft des Hauses, in dem ich lebe, zu einer – mittlerweile fast traditionellen – Grillparty im Hinterhof zusammen. Ein Nachbar hatte seine Töchter mitgebracht, und seine Älteste (sie studiert Architektur in Hannover) hat ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, nachdem sie mitbekommen hatte, daß man sich für die Perspektive eines Twens durchaus interessiert (ich habe mit dieser Generation sonst – leider – sehr wenig zu tun, und fand es wirklich spannend, die Erfahrungen der heutigen Generation von Studenten mit meinen eigenen, Jahre zuvor, zu vergleichen).

In ihrer Erzählung gab es einen Aspekt aus dem Alltag im heutigen Architekturstudium, der mich umgehauen hat: offenbar muß man heutzutage richtig gut im Umgang mit Adobes Photoshop sein, um den Anforderungen der Professoren zu genügen. Es reicht längst nicht (mehr), gute Ideen für architektonische Entwürfe vorzutragen – man muß diese auch noch perfekt aufbereiten. Von Hand gemalte Entwürfe scheinen noch eine gewisse Wertschätzung zu genießen; normalerweise soll man aber wohl einen Entwurf auch technisch fehlerfrei (im Computer) umsetzen und einen makellosen Ausdruck vorlegen.

Zur Umsetzung von grafischen Ideen am Computer geht kein Weg an Adobes Photoshop vorbei. Ob das Fotos oder CAD-Zeichnungen in 3D sind: es erreichen nicht einmal die spezialisierten Software-Lösungen für 3D-Anwendungen (zB. AutoCAD) die Qualität für den Enddruck, den man heute in der Architektur als selbstverständlich voraussetzt. Ich kann ein Lied davon singen, wenn es darum geht, eine Alternative zu Photoshop in der Nachbearbeitung von Fotos zu finden: an die Qualität der Algorithmen kommt die Konkurrenz nicht heran. Man (ich) kommt um Photoshop nicht herum, selbst wenn andere Software kostenlos oder deutlich einfacher bedienbar ist.

Ein Architekturstudent heute muß also lernen, eine Software zu beherrschen, deren Userinterface einige – um es vorsichtig zu sagen – Ecken und Kanten hat, bevor er zu Ergebnissen kommt. Mehr noch: Photoshop ist eine proprietäre Software, die von einem gewinnorientierten Konzern entwickelt wird, dem es nicht die Bohne darum geht, „gute” (im Sinn der User) Lösungen anzubieten, sondern solche, die sich gut verkaufen lassen (Adobes Marketing bewirbt CS6 allen Ernstes mit dem Hinweis auf einen neuen Look der Bedienoberfläche – als ob das die User auf irgendeiner Ebene interessierte).

In die universitäre Ausbildung fließt hier der Einfluß einer Industrie ein, die nicht einmal als Sponsor am Campus auftreten muß. Adobe (und das ist nur die Spitze des Eisbergs) macht sich unentbehrlich, indem es Software anbietet, deren Gebrauch selbst in den Augen der Professoren „alternativlos“ erscheint. Ein börsennotiertes Unternehmen, das an den Umsätzen des letzten Quartals mehr interessiert ist als an allem Anderen (wobei sich auf dieser Ebene nicht einmal die Frage stellt, was diese „Andere“ sonst noch sein könnte), bestimmt entscheidend darüber, wie die Ausbildung jener auszusehen hat, die zukünftig das Design unserer Städte entwerfen, und über deren Design letztlich entscheiden.

Noch schlimmer als hier kann die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen gar nicht sein.

2 Kommentare

- 8 -



Sicherlich kann man es mit der Nachbearbeitung von Fotos mit Photoshop auch zu weit treiben – nicht hier, soweit ich das sehe. Die Möglichkeiten sind aber schon gigantisch, verführerisch.

Unten das „Original” (nicht das RAW-Image, von dem ich, oben, ausgegangen bin, sondern ein von der JPG-Engine meiner Kamera – Canon 6D – fabriziertes JPG, wo bereits einiges an Schönfärberei passiert ist):




- 9 -




Kommentieren [Drucken]