Heidbergring - Freies Fahren 2009/1
Eigentlich war ich sicher, daß es heute bei einem Blogeintrag bleiben würde etwa nach dem Motto: „Heidbergring, freies Fahren, war so wie immer, viele Grüße”. Aber jeder Tag auf einer Rennstrecke hat letztlich doch noch eine eigene Geschichte zu erzählen - so auch dieser.
Die ersten beiden Turns waren auf triefend nasser Strecke. Obwohl es nicht mehr regnete, war die Luftfeuchtigkeit so hoch, daß der Asphalt einfach nicht trocken wurde. Ich habe ja schon erzählt, daß ich gelegentlich ganz gern bei Regen fahre - heute habe ich endgültig begriffen, warum das so ist.
In der schnellen Gruppe[1] hatten einige Fahrer von vornherein darauf verzichtet, auf die nasse Strecke zu gehen - bei zwei oder drei von ihnen war das verständlich, weil sie Slicks aufgezogen hatten, die bei dem Wetter definitiv nicht funktionieren. Es waren aber auch einige darunter, die gekniffen haben, obwohl sie auf gewöhnlichen Tourenreifen unterwegs waren.
Ich war in den nassen Turns definitiv der Schnellste[2], und war eigentlich permanent mit dem Hinterrad am Rutschen. Irgendwann hätte ich es fast übertrieben, und hatte ein wild mit dem Heck auskeilendes Motorrad unter mir, als ich gar zu schnell aus der Kurve wollte. Wenn man sich darauf vorbereitet, daß so etwas halt passiert, und das auch nicht zum ersten Mal erlebt, weiß man, was man machen muß: gar nichts. Der Gaszug bleibt exakt dort, wo er ist, wenn die Rutscherei beginnt - und dann betet man, daß das Hinterrad gleich wieder Grip findet[3]. Mein Gebet wurde erhört, und ich bin weitergefahren wie zuvor - meine Show war aber nach dem Turn Gesprächsthema.
Als die Strecke wieder trocken war, war mein erster Platz schnell wieder flöten. Ich wurde von ziemlich allen überholt, und mußte mich damit zufrieden gegeben, an meiner Linie zu feilen und auf den weiteren Verlauf des Tages zu warten. Bislang war ich noch immer am Ende des Tages flotter unterwegs als zu Beginn, und das war auch heute so. Im vorletzten Turn hat noch genau ein Fahrer einen Weg gefunden, an mir vorbeizukommen - und das ging nur mit einem ziemlich riskanten Ausbremsmanöver.
Derselbe Fahrer fuhr dann gleich weiter im Turn der mittleren Gruppe mit (das wurde nicht so gern gesehen, und er wäre garantiert noch angemeckert worden, wenn nicht...). In der doppelten Spitzkehre flog er dann beim Versuch raus, allzu hart zu beschleunigen: ihm geriet das Hinterrad ins Rutschen, er machte voller Schreck den Gashahn zu, und flog - natürlich - mit einem Highsider[4] ins Aus[5].
Ein Fahrer, der definitiv schneller ist als ich, fliegt in einer Situation ab, mit der ich klar komme. Woran liegt das? - Ich hatte in der Mittagspause eine längere Unterhaltung mit einem der Instruktoren (Thomas Grund), bei der er ein paar Beobachtungen von seinen Trainings erzählt hat, die erst einmal verblüffen, die er aber letztlich einfach erklären konnte. Bei einem Regentrainig ist die mittlere Gruppe die schnellste, und nicht die nominell „schnelle”. In der mittleren Gruppe sind idR Tourenfahrer unterwegs, die schon über einige Praxis verfügen und wohl schon im Regen unterwegs waren. Man fährt kein Hanging-Off, sondern bleibt mit beiden Beinen in Kontakt mit der Maschine. In der schnellen Gruppe versammeln sich hingegen regelmäßig Fahrer, die Tempo über ihr Material machen. Da findet man dann Fireblades mit 180 PS und Slicks an den Rädern - wer über genug Erfahrung verfügt, ist mit solch einer Maschine automatisch schnell. Für einen Hobbyfahrer ist es bei trockenem Wetter fast unmöglich, die physikalischen Limits auch nur anzutesten - man fährt Schräglage, bis das Knie auf dem Asphalt ist, und gibt ansonsten - nach der Kurve, wenn es gerade wird! - Vollgas.
Mit anderen Worten: sog. schnelle Fahrer sind oft nur deshalb (relativ) schnell, weil sie ihre Maschinen immer (weit) unterhalb des Limits bewegen. Wenn es naß wird, funktioniert das aber nicht. Dann ist man ständig am Limit. Das ist aber paradoxerweise etwas, was die Fireblade-Fraktion gar nicht will - man verweigert die Regenfahrerei entweder komplett, oder fühlt sich dabei unbehaglich und kommt nicht in die Pötte.
Die Konsequenz ist, daß man eine Grenzsituation nicht unter Kontrolle bekommt, wenn sie einem dann doch einmal auf der trockenen Piste begegnet. Die zweite Folgerung lautet, daß man hier nur am Heizen ist, was mit dem Thema „schnell fahren” letztlich herzlich wenig zu tun hat.
- [1] Drei Gruppen (schnell, mittel, langsam) in Turns a 15 Minuten, 10 Turns pro Gruppe insgesamt - also so wie immer.
- [2] Und zwar auf Bridgestone BT 016, die bei dem Wetter erstaunlich gut funktioniert haben, aber alles sind, nur keine Regenreifen.
- [3] Schlimmstenfalls liegt man bei einem sog. „Lowsider” auf dem Asphalt - sprich, man hat eh nur Zentimeter zum Boden, und rutscht hinter dem Motorrad hinterher. Ein „Highsider” ist die Alternative (s.u.) - und die ist deutlich gefährlicher.
- [4] Ich google gerade nach einer einleuchtenden physikalische Begründung, wie ein Highsider zustande kommt. Der Artikel in der Wikipedia kann so nicht stimmen, und andere Fundstücke im Netz widersprechen sich teilweise diametral. (Nachtrag: ich habe ein paar theoretische Spekulationen hinzugefügt.)
- [5] Ihm ist nichts passiert, aber das Motorrad hat einiges abbekommen - u.a. riß die Schaltbox, und das Öl verteilte sich über die Strecke. Es kostete fast zwanzig Minuten, um die Stelle wieder halbwegs sauber zu bekommen und so abzusichern, daß keiner versehentlich über die Ölreste fährt und ausrutscht.