Über Rhythmik (1)

(Themenanfang)

Musik ist bekanntlich eine Kunst, die in der Zeit organisiert ist; oder, um dasselbe anders zu formulieren, der Zeit überhaupt erst Struktur verleiht.

Die Antwort darauf, wie denn ihr zeitlicher Verlauf erfahrbar wird, liegt zunächst auf der Hand: Musik hat eine rhythmische Struktur. Nur, was ist das, Rhythmus? Die Wikipedia definiert Rhythmus als

die durch die Folge unterschiedlicher Notenwerte entstehenden Akzentmuster über dem Grundpuls.

Diese (ebenso richtige wie gleichzeitig in die Irre führende) Definition hat den Nachteil, daß sie gleich drei Begriffe einführt, die ihrerseits zunächst frei im Raum schweben: Akzent, Muster, und Grundpuls. – „Akzent” ist leicht übersetzt mit „lauter als der Rest”. Ein „Muster” ist dadurch gekennzeichnet, daß es sich wiederholt, und in seinen Wiederholungen erkennbar wird. Aber was ist der „Grundpuls”?

Ein Beispiel: [3 / 4 / 3 / 6]. Das sind die Proportionen einer typischen Abwandlung des Clave-Rhythmus, wie sie in zahllosen Pop- und Jazzrock-Stücken vorkommt. Die Frage ist bloß: was hat das mit einer Rhythmik zu tun, mit der ich brasilianische Tanzfreude assoziiere?

Ein wenig weiter komme ich, wenn ich zur konventionellen Notenschrift greife, in der Notendauern, Pausen, und Taktstriche die Struktur erklären (bitte nicht von den Noten abschrecken lassen, es bleibt auch für Notenschrift-Unkundige verständlich):

(1)

Endgültig klärt es sich, wenn ich den gemeinsamen, allen „Akzenten” zugrunde liegenden Puls mit notiere:

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In der oberen Stimme sieht man vier Gruppen aus je vier Noten, die mit einem Balken verbunden sind; jeweils zwei dieser Gruppen sind durch einen Taktstrich voneinander getrennt. Jede dieser Noten hat dieselbe Dauer, und etabliert den Puls. – Im System darunter sind die „Akzente” notiert, und zwar jeweils direkt unter der dazugehörigen, den Puls repräsentierenden Note. Die erste Note „dauert” drei Puls-Noten, die nächste vier, dann drei, dann sechs - was der Zahlenreihe oben entspricht.

[(Jetzt müßte ein Klangbeispiel folgen...)]

Jene klanglichen Ereignisse, die einen Rhythmus etablieren, können nur dann erfahren und zugeordnet werden, wenn ihre Basis – in welcher Form auch immer – „erlebbar” ist. Diese Basis ist der Puls, der – wie der Herzschlag – die Zeit in gleichförmige Teile zerhackt.

Mit dieser Definition habe ich die Begriffe aus der Wikipedia (hoffentlich) eingeordnet, aber gleichzeitig ein neues Problem aufgeworfen, das erklärt werden muß (und nur um diese Hinführung geht es mir zunächst): welche Voraussetzungen braucht es, daß ich Puls „erleben” kann?