14.7.2014

Die GroßeMittelKlasse: Sie wissen es nicht, aber sie tun es

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„Alle wollen uns betrügen“, bellt es seitdem aus der GroßenMittelKlasse, und selbst prekär beschäftigte Medienknechte zögern keine Sekunde, daraus im Netz einen öffentlichen Chor zu bilden. Alle, das sind die Griechen und die Spanier, die Amerikaner, die EU, die Politiker, die Beamten, die Banker, die Versicherungen und hier und da sogar die Superreichen, die Schwarzgeldschieber, die Steuerbetrüger. (Die Hartz-Vierer sind immer und sowieso dabei.)

Die Eigentümer, die so auftrumpfen und wüten, ticken in der Mehrheit deutschnational. Der Protest hat aber auch etwas Anarchisches, gelegentlich sogar Romantisch-Seufzendes, das macht ihn einnehmend und erfolgreich. In der kaum zensierten Welt der Internet-Foren war er der Renner der vergangenen Saison, er rennt immer noch. Dazu trägt bei, dass die Protestler einen Satz draufhaben, der im ganzen Volk heftiges Nicken hervorruft: „Wir zahlen und zahlen und zahlen!“ Da sagt doch jeder Benzin-, Strom- und Gasverbraucher: Genau! Wir zahlen und zahlen und zahlen! Es stimmt ja auch.

Zahlt die Klasse der Geldvermögensbesitzer wirklich? Ja. Sie zahlt Steuern und Abgaben, und sie bekommt für ihr in deutsche Staatsanleihen, in Sparbüchern, Tages-, Festgeld und Lebensversicherungen angelegtes Vermögen kaum Zinsen. Sie erleidet insofern die „finanzielle Repression“, von der eingangs die Rede war. Zur Wahrheit gehört, dass es bis heute ein Zahlen in kleiner Münze ist, objektiv und vergleichsweise; zudem ein Zahlen, das einzahlt, weil es Verluste beschränkt und Krise und Depression in Schach hält, die um die Ecke lauern.

Das will die Klasse aber nicht hören, sie sieht den eigenen Weltuntergang heraufziehen. Viele in ihren disparaten Reihen misstrauen den heimatlosen Geldverwaltern und deren erpresserischen Warnungen, zu Recht. Manche beschimpfen die Spekulanten, Millionäre und Milliardäre, die kaum Steuern zahlen und ihre Völker betrügen, statt sie zu retten, zu Recht.

Einige zweifeln sogar am Kapitalismus, an der unaufhörlichen Plusmacherei, am immer mehr und immer weiter und immer flexibler und 24 Stunden am Tag, zu Recht.

Aber all das halten sie als Anleger mit ihrem Geld und dem Anspruch auf angemessene Verwertung ihres Geldes als Kapital in Gang.

Das entgeht ihnen, sie sind ja gegen die Folgen. Bei Karl Marx gibt es einen treffenden Satz über diese Verblendung: Sie wissen es nicht, aber sie tun es.

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Das Essay von Karl-Heinz Klär ist unbedingt lesenswert. Ich kenne keinen zweiten Text, der den Kern der marx'schen Ideologiekritik derart lesbar und prägnant auf den Punkt bringt (Hervorhebung im Zitat von mir).

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