25.3.2014

Gravity - Soundtrack

(Gravity Filmkritik)

Der Soundtrack von „Gravity“ steht unter der Prämisse: Outer Space ist lautlos. Es gibt dort keinen „Sound“. Der Film löst diese Zusage an die Realität auch ein – dafür kommt einem allerdings einiger Krach aus den Lautsprechern entgegen, der beim ersten Sehen schon einige Fragezeichen im Kopf entstehen läßt.

Man muß erst einmal darauf kommen (bzw. sich darauf einlassen), daß aller Sound dort Musik ist. Wenn Ryan, in der ISS endlich angekommen, der Weltraummüll um die Ohren fliegt, und es in der akustischen Kulisse laut wird, hat man erst einmal den Eindruck, daß die Sounddesigner es hier richtig krachen lassen. Tatsächlich ist dies jedoch ein Beitrag des Komponisten (Steven Price), der hier für ein Orchester schreibt. Das sind an dieser (und an der einen oder anderen) Stelle eben keine Effekte, sondern Musik für Orchester (i.e. akustische Instrumente).

Das wird ein wenig überdeckt durch die Musik im Finale, die leicht von Hans Zimmer stammen könnte: im Feuersturm der Rückkehr Ryans zur Erde gibt es einen großen Chor, reine Dur- und Mollakkorde, und ganz viel Pathos. Das hätte man anders komponieren können.

Der eigentliche Soundtrack – jenseits der Musik – ist umso faszinierender. Man hört die Geräusche – Stimmen, Funkverkehr, Werkzeuggebrauch – aus der subjektiven Wahrnehmung der Protagonisten. Wenn Ryan einen Schraubenzieher verwendet, hört man das Gejaule des Werkzeugs, wie es die Berührung ihrer Hand mittels des Handschuhs in ihren Raumanzug überträgt. Der Geräuscheffekt hier ist – wie an vielen anderen Stellen auch – beklemmend, klaustrophob. Man bekommt den Eindruck, selber im Raumanzug zu stecken, getrennt von allem Kontakt zur Außenwelt. In anderen Worten: der Zuschauer teilt das Ohr des Protagonisten. Ich finde es extrem spannend, wie mächtig das ist; dieses Hören; welche Wirkung das hat.

Last, not least: in „Gravity“ gibt es mE. den ersten Soundtrack, der Surround-Sound nicht als obligatorischen Effekt nutzt, sondern inhaltlich sinnvoll verwendet. Das betrifft zum einen die Musik: im Beispiel oben – Ryan fliegt der Schrott bei der ISS um die Ohren – kommt sie aus der Richtung, wo die Handlung spielt; im Beispiel: von hinten rechts. Auch die Sprache kommt nicht immer aus dem Center-Speaker, sondern ist im Raum verteilt: wenn Matt zu Ryan spricht, kommt dessen Text aus jener Richtung im Surround-Raum, den man, als Zuschauer, aus der subjektiven Sicht von Ryans Ort einnimmt.

Not least, but first: die Szene, in der Ryan vom Space Shuttle weggeschleudert wird. Die Kamera wechselt in einer langen Sequenz aus der Perspektive des Beobachters (in der der sich chaotisch drehende Astronaut gezeigt wird) in die subjektive Sicht Ryans: die Welt dreht sich vor ihren Augen, in einem Atem nehmenden Tempo. Langsam, ganz langsam, bewegt sich die Kamera auf das Visier von Ryans Raumanzug, durchbricht es schließlich, wechselt auf ihre subjektive Sicht. In dem Moment, wo die Kamera das Visier durchschießt, bricht auch der Soundtrack: die Breite des Sourround wird abgelöst von Musik aus dem Center-Speaker; plötzlich wird die Musik geradezu degradiert zu einer Begleitung von Ryans panischen Atemgeräuschen; der Soundtrack forciert geradezu die Identifikation mit der subjektiven Sicht Ryans – ein ganz großer Moment.

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