Alfonso Cuarón - Gravity

Gravity

Als ich „Gravity“ zum ersten Mal gesehen habe, war ich nicht sonderlich beeindruckt: das war, auf den ersten Blick, eine eher dünne Story mit vielen visuellen Effekten aus dem Computer. Die Darstellung der Verhältnisse im Outer Space scheint überdramatisiert, bis zu einem Punkt, wo sie komplett unglaubwürdig wirkt. An bestimmten Stellen scheint selbst die Physik um des dramatischen Effekts gebogen. Besonders jener Punkt in der Erzählung, wo sich Matt Kowalsky (George Clooney) für Ryan Stone (Sandra Bullock) opfert, indem er die Verbindung zischen ihnen kappt, ist völlig jenseits dessen, was man noch als üblichen Bruch in der Logik tatsächlicher Verhältnisse zwecks einer guten Erzählung hinzunehmen bereit wäre. – Wie gesagt: ich rede hier vom ersten Eindruck.

Ich habe mein erstes Urteil dann komplett über den Haufen geworfen. Nachdem ich die Blu-Ray seit knapp einer Woche besitze, habe ich den Film viermal gesehen; und damit ist es längst nicht getan.

Ohne ein gewisses Grundwissen um die Hintergründe in der Entstehung des Films kommt man mE. nicht aus. Ich habe die – immerhin gut drei Stunden – in den „Extras“ auf der Disc sehen müssen, um zu verstehen, daß man hier etwas völlig Neues versucht hat. Alfonso Cuarón (und mit ihm eine ganze Armee von Mitarbeitern) hat mehr als vier Jahre gebraucht, um eine eher simple Idee in einen Film zu verwandeln. Wie man dem „Making Of“ entnehmen kann, ist die Darstellung von Schwerelosigkeit ein Unterfangen, mit dem selbst heutige Tricktechnik größte Mühe hat – von den körperlichen Anforderungen an Sandra Bullock ganz zu schweigen, die wochenlang an Drähten hängend von Puppeteers, die die Drähte mit Remotes bedienten, durch die Gegend geflogen wurde.

Das ist aber längst nicht alles, und keineswegs zentral für meine Bewertung des Films. Ich mußte erst lernen, daß die scheinbar grotesk übertriebenen Ereignisse, die das Drama treiben, keinesfalls unrealistisch sind. Der Auslöser für die Story im Film ist eine Attacke von Weltraummüll auf das Spaceshuttle. Das scheint pure Fiktion, ist aber eine reale Gefahr, für die es sogar einen stehenden Begriff gibt (Kessler-Syndrom). Kowalsky sagt beim ersten Blick auf den einfliegenden Schrott: „Half north america just lost their facebook“. Das ist keine Hollywood-Blockbuster-Spinnerei, sondern ein Szenario, mit dem wir in naher Zukunft durchaus konfrontiert sein könnten.

Ich könnte länger so weiter machen, und meinen ersten Eindruck von augenscheinlichen Unstimmigkeiten immer mehr relativieren. Besonders die zentrale Stelle – als Kowalsky die Verbindung zu Stone kappt, um in den sicheren Tod zu treiben – hat mich zunächst ja geradezu wütend gemacht: die Protagonisten scheinen in der Schwerelosigkeit zur Ruhe gekommen, und es bräuchte nur eines minimalen Rucks, um beide in Richtung ISS zu treiben. Wenn man die Szene genauer ansieht, ist dies aber nicht der Fall: Ryan und Matt sind definitiv noch in der Bewegung. Ohne das Kappen der Leine wären beide verloren.

Was mich jedoch letzten Endes zu einem bedingungslosen Fan des Films macht, ist der Soundtrack. M.E. ist dies die beste „Vertonung“ eines Films, die es je gegeben hat (die AMPAS teilt da offenkundig meine Meinung; ich komme auf das Thema zurück).