Jacques Offenbach, Barcarolle (Anna Netrebko, Elina Garanca)

Beim ersten Hören (und wohl nicht nur dann) kann man Jaques Offenbachs „Barcarolle“ als offenkundigen Kitsch zurückweisen. Die Rezeption der Gegenwart (bei der die Kamera Elina Garanca[1] nicht loslassen will, auch wenn die nichts zu singen hat) tut da ein übriges.

Trotzdem ist das mE. eine Komposition, die man durchaus ernst nehmen kann, wenn man sie an handwerklichen Maßstäben mißt. Das ist kein „Pophit“, der sich in der Wiederholung von Strophe und Refrain erschöpft. Die „Barcarolle“ baut einen genau kalkulierten Spannungsbogen, der ohne Brüche auf den Höhepunkt zustrebt. Das betrifft nicht nur die Orchestrierung, die gegen Ende auch noch einen Chor hinzunimmt. Auch die Melodielinie wird nicht einfach wiederholt, sondern nach und nach gesteigert.

Ich möchte mich hier nicht als Fan Offenbach'scher Operetten outen. Bemerkenswert finde ich aber schon, mit welchem „Anstand“ (was auch immer dieses Wort im Zusammenhang bedeutet) Unterhaltungsmusik im 19.Jahrhunderts daherkommen konnte.

  1. [1] Garanca hat einen klangschönen Alt, keine Frage. – Es gibt im Video einen Moment, wo sie die linke Hand ans Ohr hält, kurz nachdem sie sich in der Intonation ganz knapp vertan hat. Das ist ein alter Trick unter Sängern: man „hört in sich hinein”, wenn man den Kontext verloren hat. Wenn ich das richtig deute, fehlt Garanca die Erfahrung, um ohne solche Tricks auszukommen. Nach dem Maßstab des vor-vorherigen Jahrhunderts wäre sie wohl eher eine Sängerin im Chor, keinesfalls eine Diva (zu der sie der Blick der Kamera machen will).