Notiz (Zur Bedeutung der politischen Rhetorik)

Heiner Flassbeck zitiert in einem Beitrag in seinem Blog aus dem Handelsblatt-Interview Hans-Olaf Henkel:

Um den Euro zu retten, muss der große Gegensatz in der Produktivität zwischen dem Norden und dem Süden der Eurozone reduziert werden. Da das im Süden nur unzureichend gelingt, müssen die Politiker die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens, insbesondere Deutschlands, beschädigen. […] . Die Euro-Rettungspolitik wird sich weiterhin darauf konzentrieren müssen, die Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden einzuebnen. Um das zu tun, versucht man zwar, den Süden zu reformieren. Da das nur unzureichend gelingt, muss man die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens reduzieren. Man kann den Euro also nur retten, wenn man die Produktivitätsunterschiede zwischen Deutschland und Griechenland einigermaßen angleicht.

Das klingt auf den ersten Blick durchaus plausibel. Flassbeck leistet sich eine zweiten Blick, und nimmt die Argumente auseinander (ich zitiere nur die Stellen, die bei mir das „Aha-Lämpchen“ haben aufleuchten lassen):

Das ist, wie wir schon fast bis zum Überdruss dargelegt haben, falsch, weil hier Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit mit Unterschieden in der Produktivität gleichgesetzt werden. […]

Dass die Politiker die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens beschädigen müssen zur Eurorettung, ist vollkommen zutreffend, nicht aber die Produktivität des Nordens.

Das ist soweit alles – in meinen Augen – gut und richtig. Flassbeck unterbricht seine Argumentation aber mit einem Einwurf, der die gute Absicht seiner Argumentation in ihr Gegenteil verkehrt:

Dass man den Menschen (und hier den Journalisten) immer wieder so ein Zeug erzählen kann, wie das Hans-Olaf Henkel tut, ohne sofort unterbrochen zu werden, ist mehr als erstaunlich.

Was soll der Hinweis auf Journalisten, denen man jedes (in Flassbecks Auffassung offenkundig dummes) Zeug erzählen kann? Jemanden, der noch nicht „die Zusammenhänge versteht“ (und Henkels Ausführungen zunächst logisch findet), wird man mit solcher Rhetorik kaum dazu überreden, die Argumente Flassbecks nachzuvollziehen. Damit erreicht man niemanden; ganz im Gegenteil. Ein Leser, der halbwegs ohne Vorurteile mit dem Text beginnt, bekommt, an dieser Stelle, fast unvermeidlich das Bild eines Oberlehrers in den Kopf gepflanzt, der vor Arroganz halb platzt.

Ich halte Heiner Flassbeck für einen der wenigen Ökonomen im deutschsprachigen Raum, denen man unbedingt zuhören sollte. An seiner politischen Rhetorik müßte er jedoch unbedingt feilen, wenn er es erreichen will, daß seine Texte nicht nur jene zu Kenntnis nehmen, die ohnehin schon seiner Meinung sind.