14.2.2013

Brian Ferneyhough: Lemma-Icon-Epigram

Brian Ferneyhough ist bekannt für die unglaublich komplexe Rhythmik seiner Kompositionen, die man selbst nach einigem Nachdenken kaum aufgelöst bzw. analysiert bekommt. Die Partitur oben ist noch ein relativ einfaches Beispiel, vermittelt aber einen ganz guten ersten Eindruck, worum es hier geht.

Um nicht mißverstanden zu werden: es gibt alle möglichen Gründe, warum man Musik schreibt, die auf solch einem Level von Komplexität beruht. Ich muß wohl auch ausdrücklich betonen, daß ich der klanglichen Ebene dieser Musik durchaus einiges abgewinnen kann; ich frage mich lediglich, ob Ferneyhough dafür die richtigen Noten schreibt.

Was ich nicht recht nachvollziehen kann, ist die Entscheidung, den Notentext „lebenden” Musikern vorzulegen. Wenn es Ferneyhough mit den ineinander verschachtelten N-Tolen ernst ist, wäre ein Computer der bessere Adressat zur Umsetzung seiner Arbeiten. Wenn es ihm letztlich doch um „Live-Performance” geht, könnte er seine Ideen auch anders aufschreiben – so nämlich, daß es eine zumindest gewisse Chance gibt, daß ein Mensch sie wenigstens halbwegs präzise ausführen kann.

Ich versuche, meine Bedenken aus einer anderen Perspektive zu formulieren: ich war Ende Januar für zwei Tage in London, und habe mit den Kollegen in Steinbergs neuem R&D-Departement darüber diskutiert, wie eine Notations-Software aussehen müßte, die auch die wilden Exzesse in der Neuen Musik abbilden kann. Dabei lagen auch Partituren von Ferneyhough auf dem Tisch. Es ist eine echte Herausforderung, auch solche Extreme in Software abzubilden, und es ist ein großer intellektueller Spaß, ein Design zu finden, das selbst damit noch zurecht kommt.

Überspitzt formuliert stellt sich die Frage, was das mit Musik zu tun hat (wobei ich da zumindest eine Vermutung im Gepäck habe).

(Die Musik von Conlon Nancarrow bietet übrigens ein hervorragendes Beispiel, wie ein Komponist vorgehen kann, wenn er ein ernstes Anliegen an rhythmische Komplexität mit den technischen Mitteln seiner Zeit umsetzen will – Nancarrow hatte, in den 40ern des letzten Jahrhunderts, ein Player-Piano in seiner Werkstatt.)

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