Abschied von der unsichtbaren Hand - Reprise

Vor acht Jahrzehnten war die Wirtschaftswissenschaft schon mal in einer ganz ähnlichen Situation. Die Große Depression, in die die Welt nach dem Börsenkrach von 1929 versank, konnten die Volkswirte mit ihren damaligen Modellen und Konzepten nicht erklären: Steigende Arbeitslosigkeit trotz fallender Löhne zum Beispiel waren mit der Theorie nicht zu packen.

Die Ökonomen empfahlen den Regierungen, auf fallende Steuereinnahmen mit einer Senkung der Staatsausgaben zu reagieren, um den Haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen - und machten so alles noch schlimmer.

Ein Mann […] rettete das Fach: John Maynard Keynes[…].

Die Gesamtwirtschaft, so lautete seine große, übergeordnete Botschaft, ist mehr als die Summe ihrer Einzelteile - und sie ist instabiler, als Volkswirte bis dahin gedacht hatten. Um Krisen wie die Große Depression zu vermeiden, solle der Staat aktiv gegensteuern.

Was 1936 eine Außenseiter-Meinung war, wurde innerhalb von zehn Jahren zum neuen Mainstream, der bis in die 1970er-Jahre das Fach dominierte. Schon 1946, in Keynes' Todesjahr, war es laut David McCord Wright von der University of Virginia schwierig, einen US-Volkswirt zu finden, der nicht Elemente des keynesianischen Analyseschemas nutzte - unabhängig von der politischen Haltung.

Die wirtschaftspolitischen Konzepte von Keynes gerieten zwischenzeitlich komplett aus der Mode und sind heute heftig umstritten - sein Beitrag zur methodischen Weiterentwicklung des Fachs wird aber auch von seinen Kritikern anerkannt.

1936 war es ein einzelner Wissenschaftler […], der das Fach aus der Krise führte. Heute sind es Tausende Ökonomen weltweit.

Manchmal finden sich Analysen, die den Punkt treffen, sogar im Handelsblatt (via).

Dabei hängt die Politik dem Wandel in den Wirtschaftswissenschaften um Meilen hinterher – wobei die deutschen Ökonomen wiederum dem Tempo ihrer angelsächsischen Kollegen beim Abschied von alten Denkmustern auch in großem Abstand kaum folgen können; mit fatalen Folgen für die Politik im wichtigsten Land für die Wirtschaft in der EU, Deutschland.

Ich fürchte, ich muß Wolfgang Münchaus Prognose zustimmen: wir werden uns mit Sehnsucht an 2012 erinnern.