Heiner Flassbeck: Wir treiben Europas Wirtschaft in den Abgrund
AN: Nun lautet deren Erklärungsmuster für die Krise: Die Staaten sitzen auf viel zu hohen Schulden, weil alle über ihre Verhältnisse gelebt haben. Erst wenn die Schulden durch einschneidende Maßnahmen zurückgefahren worden sind, kann es wirtschaftlich wieder aufwärts gehen.
Flassbeck: Das ist vollkommen falsch. Die Schulden sind nicht das Problem. International setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der Kern der Eurokrise ein ganz anderer ist.
AN: Nämlich?
Flassbeck: Einige Länder haben in der Vergangenheit sicherlich über ihre Verhältnisse gelebt, andere aber – vor allem Deutschland – unter ihren Verhältnissen. Die einen haben ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnsteigerungen, die oberhalb des Produktivitätszuwachses lagen, verschlechtert. Die anderen haben sie durch eine Politik der Lohnzurückhaltung systematisch verbessert. Dadurch sind gewaltige Ungleichgewichte im Außenhandel der einzelnen Euro-Länder entstanden. Für eine Währungsunion ist so etwas tödlich. Früher konnten diese Ungleichgewichte durch Wechselkursänderungen – also das Auf- oder Abwerten der nationalen Währungen – ausgeglichen werden. In einer Währungsunion ist das nicht mehr möglich.
Heiner Flassbeck stellt im Interview mit den Aachener Nachrichten die Zusammenhänge auch für einen Nicht-Ökonomen vom Kopf auf die Füße (Hervorhebung von mir; via).