16.1.2012

Dietrich Buxtehude: Membra Jesu Nostri

Wenn jemand freiwillig 400 Kilometer zu Fuß zurücklegt, muss er schon ein besonderes Ziel haben. Von Johann Sebastian Bach, damals 20 Jahre alt und schon zwei Jahre als Organist in Arnstadt, hören wir, dass er im Herbst 1705 diese Strecke von Arnstadt nach Lübeck gewandert ist. Im „Nekrolog“, verfasst von seinem Sohn C. Ph. E. Bach und J. F. Agricola, einem Schüler von J. S. Bach, ist zu lesen: „[…] ihn [J. S. Bach] bewog ein besonders starker Trieb, den er hatte, so viel von guten Organisten, als ihm möglich war, zu hören, daß er, und zwar zu Fusse, eine Reise nach Lübek antrat, um den dasigen berühmten Organisten an der Marienkirche Diedrich Buxtehuden, zu behorchen. Er hielt sich daselbst nicht ohne Nutzen, fast ein vierteljahr auf, und kehrete alsdenn wieder nach Arnstadt zurück.“

Er hatte vier Wochen „Bildungsurlaub“ erhalten, blieb aber fast vier Monate fort. Auf die Frage „[…] wo er unlängst so lange geweßen?“ gab er die Antwort: „Er sey zu Lübeck geweßen umb daselbst ein und anderes in seiner Kunst zu begreiffen.“ So ist es aufgezeichnet im „Protokoll des Konsistoriums Arnstadt, 21.2.1706“.

Klaus Jürgen Thies: Dietrich Buxtehude und Bach (PDF).

J.S.Bach hat damals seinen „Bildungsurlaub“ nicht etwa abgebrochen, weil ihm am Werk des Lehrers nicht gelegen wäre. Buxtehude wollte ihn als seinen Nachfolger, verband das aber mit der Bedingung, daß der seine (mittlerweile knapp 40jährige) Tochter heiratet. Erst nach langem Zögern und wohl schweren Herzens verabschiedete sich Bach, und ging zurück nach Arnstadt, zu seiner Jugendliebe, Maria Barbara. – Diese Geschichte ist wahrscheinlich nur eine Legende; das macht sie nicht weniger wahrhaftig.

Eine meiner Hausstrecken auf dem Motorrad führt über Lübeck. Ich mache dort oft eine Pause, u.a., um die Marienkirche zu besuchen, in der Buxtehude begraben liegt, um dem Lehrer des Meisters meinen Respekt zu bezeigen.

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