5.12.2011

Toward a Gentler, Kinder German Reich?

For the third time in less than twenty years, Germany is trying to force down the throat of Europe a federal “political union” which, in the eyes of too many European observers, eerily resembles a gentler, kinder Anschluss. While Europeans were able to push back against the first two attempts, the two-year long financial crisis has created within Europe a “German unipolar moment” and provided the kind of leverage that had eluded Germany earlier. With the German Chancellor as a de facto “EU Chancellor,” German elites are leveraging the crisis by playing a game of chicken in order to make their federal vision prevail.

Das Essay von Tony Corn bietet einen äußerst interessanten Einblick in politische Debatten, in denen Angela Merkel eben nicht als Dummkopf gilt, der aus lauter Ahnungslosigkeit über wirtschaftliche Zusammenhänge Europa in den Abgrund führt. Aus dieser Sicht der Dinge sind die Entscheidungen, die derzeit von der deutschen Politik gefällt (bzw. verhindert) werden, durchaus rational nachvollziehbar, und lassen sich sogar in einen geschichtlichen Kontext stellen: Deutschland sucht, einmal mehr, nach einer „großdeutschen” Lösung, und die derzeitige Krise des europäischen Währungssystems bietet neue Möglichkeiten, diesem Ziel näher zu kommen.

Auf den ersten Blick klingt das nach ganz abstruser Verschwörungstheorie. Tatsächlich habe ich arge Zweifel, daß ausgerechnet eine studierte Physikern aus dem ehemaligen Osten hier Pläne verfolgt, die in direkter Nachfolge der politischen Strategie eines Bismarck stehen.

Dann sollte man aber sehen, daß auch Bismarck nicht der geniale Politiker mit einer präzisen Vision für die Zukunft war; auch er war letztlich nur ein Rädchen im Getriebe (wenn auch mit wahrscheinlich weitaus umfassenderem Verständnis für die Zusammenhänge, von denen er getrieben wurde, als Merkel es hat).

Politik wird, in meinem Verständnis, nicht von einzelnen Personen gestaltet, sondern von der Gesellschaft als Ganzes. Wenn einzelne Menschen die Führung übernehmen (bzw. zu übernehmen scheinen), dann nicht, weil sie als Person bedeutend sind, sondern weil gesellschaftliche Zusammenhänge sie nach oben spülen. Insofern ist Merkel ein Resultat Ackermann'scher Verhältnisse, und Ackermann selber wahrscheinlich ausschlaggebender für die momentanen Entscheidungen in der Politik als irgendein Zweiter. Dabei ist selbst Ackermann das Produkt einer Entwicklung im Kapitalismus, in der nicht mehr die Eigentümer der Produktionsmittel das Sagen haben, sondern von Aktiengesellschaften angestellte (wenn auch hoch bezahlte) Manager.

Jedoch: spätestens auf der Führungsebene der Hochfinanz dürfte man mE. ganz gut darüber Bescheid wissen, daß die derzeitige Krise eine großartige Chance bietet, nicht nur sich selbst, sondern auch das gesamte soziale Umfeld (Familie; Freunde; Leute, denen man sonstwie „etwas schuldet”) reich zu machen. Wen kümmert es dort, wenn es irgendwann richtig kracht? Selbst die Aussicht auf harsche Verwerfungen, die man möglicherweise nur mit dem Einsatz von Polizei und Militär in den Griff bekommt, dürfte diese Kreise eher milde erschrecken.

Insofern ist die Analyse von Tony Corn ein guter Hinweis, daß man besser eben nicht davon ausgeht, die politischen Eliten seien einfach nur dumm und resistent gegen bessere Einsicht. Wahrscheinlich verfolgen sie keine expliziten Ziele – die konkreten Akteure in der Hochfinanz tun dies mE. durchaus, und vielleicht unterschätze ich die Politik, und sie tut das auch.

(Via Hans Huett)

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