Lass, Fürstin, noch einen Strahl
Im Werk J.S.Bachs gibt es einige Kantaten und Motetten, die für Begräbnisgottesdienste geschrieben wurden. Eine der berühmtesten ist vielleicht die anläßlich des Todes der Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Christiane Eberhardine, geschriebene Trauerode BWV 198, „Lass, Fürstin, noch einen Strahl“ (ich höre gerade eine Aufnahme beim Schreiben).
In Johann Christoph Gottscheds Text heißt es : „Wie starb die Heldin so vergnügt!/ Wie mutig hat ihr Geist gerungen,/ Da sie des Todes Arm bezwungen,/ Noch eh er ihre Brust besiegt.“ - Bachs Musik auf den Text ist eine Arie in heiterer Melancholie
Heute redet man nicht vom Tod. Man nimmt vielleicht noch Anteil am Schicksal jener, die um den Verlust (sic!) von Menschen trauern, die ihnen nahe gestanden haben. Wenn es um den eigenen Tod geht, guckt man möglichst cool, und tut so, als hätte man sich – als Mensch der Moderne, dem eh jeder Gottesbezug abhanden gekommen ist – mit dem Unvermeidlichen abgefunden, und würde sich keine weiteren Gedanken machen. Im Nachhaken wird allenfalls noch eine Patientenverfügung zum Thema, in der dann festgehalten wird, daß man ein Koma mit allerlei Apparaten nicht künstlich verlängert lassen will. Man redet dann darüber, wo man persönlich die Grenze zwischen Leben und Tod gezogen hat – wo das eigene Leben noch lebenswert ist, bzw. wo man lieber gewiß tot wäre, als noch jene Maßstäbe der Medizin zu akzeptieren, die in einer Grauzone in der Definition von „Leben“ lavieren.
Auch im Barock jedoch – also in einer Zeit jenseits aller Zweifel an der Existenz Gottes – hat man jemanden hoch gepriesen, der selbst im Angesicht des nahenden Todes das Vertrauen an Gott nicht verlor. Die Fürstin, die in der Gewißheit stirbt, gleich vor Gott zu stehen, muß man dafür loben, daß sie „vergnügt“ ist – und muß sie immer noch weltlich trösten: „Doch, Königin! du stirbest nicht,/ Man weiß, was man an dir besessen;/ Die Nachwelt wird dich nicht vergessen,/ Bis dieser Weltbau einst zerbricht.“ - Das hört sich keinesfalls so an, als stehe für den Dichter dieser Verse eine Existenz nach dem Tod vollkommen sicher außer Frage.
Wo stehen wir heute? Wir denken über diese Fragen keine Minute mehr nach – bis sie uns selber treffen. Dann allerdings übernimmt nicht der von Gottsched gelobte „Geist“, der mit dem Tode ringt, sondern allein unser Körper, der bis zum letzten Atemzug sich nicht damit abfinden kann, daß etwas endet, was von Anfang an auf dieses Ende ausgerichtet war.