Buffy – „As You Were“

(Buffy: Zettelkasten)

Am Ende der fünften Staffel stirbt Buffy – das WB Network, das die Show einst ermöglicht hatte, verlor das Interesse und kündigte die Verträge. Buffys Tod – als Opfer, mit dem sie die Welt rettet – wäre ein plausibles Finale gewesen.

Joss Whedon hat dann einen anderen Sender (UPN) davon überzeugen können, eine Fortsetzung in Auftrag zu geben. So froh seine Crew wohl für die Chance war, die Geschichte weiter erzählen zu können, so unglücklich ist Buffy, die Protagonistin, als man sie aus dem Reich der Toten zurückholt: sie hatte geglaubt im Himmel zu sein, und findet sich zurück in der Hölle des alltäglichen Lebens. Nicht genug, daß sie keinem ihrer Freunde anvertrauen mag, wie unglücklich sie im Hier und Jetzt ist, muß sie sich mit Geldsorgen herumschlagen und mit einem „Minimum Wage”-Job als Burgerbrater über Wasser halten. Einzig Sex mit Spike, dem Vampir, erlaubt Momente der Flucht vor einer Wirklichkeit, die ihrer (Teenager-)Rolle als Superheld komplett entgegen läuft.

Buffy wird erwachsen, und die „Dunkelheit“ der sechsten Staffel, die der so oft vorgeworfen wurde, erklärt sich aus dem Übergang zwischen einer Zeit des Lernens (mit all ihren Unwägbarkeiten und Fallen) in jene, in der man (in einem gewissen Grad) weiß, wer man ist.

„As You Were“ (6.15) markiert hier den Wendepunkt: Buffy betritt den Pfad der Erwachsenen. In einem ersten – entscheidenden – Schritt beendet sie ihre Beziehung mit Spike. Sie tut das mit Worten, die zeigen, daß sie verstanden hat, worum es hier ging:

Buffy: It's over.
Spike: I've memorized this tune, love. Think I have the sheet music. Doesn't change what you want.
Buffy: I know that. I do want you. Being with you … makes things … simpler. For a little while.
Spike: I don't call five hours straight a little while.
Buffy: I'm using you. I can't love you. I'm just … being weak, and selfish…
Spike: Really not complaining here.
Buffy: …and it's killing me. I have to be strong about this. I'm sorry, William.

Buffy spricht Spike hier zum zweiten (und letzten) Mal mit dem Namen an, den er als Mensch hatte: William. Sie adressiert in den Sätzen nicht Spike, den Vampir (der halb Mensch ist, halb Dämon), sondern, explizit, seinen menschlichen Teil. Sie sagt: „I used you“, und fühlt sich dafür schuldig. Das ist kein bloß ungefähres, unerhebliches Gefühl: der Satz markiert einen echten Wendepunkt in der Erzählung. Das Ende der (sexuellen) Beziehung ist endgültig, und es hat Konsequenzen, und zwar bis zum Ende der Staffel, und darüber hinaus.

Dem Bruch mit Spike folgen Ereignisse, die Buffy auch vom inneren Zirkel ihrer Freunde trennen. Die Beziehung zwischen Anya und Xander nimmt ein dramatisches Ende und bringt diese beiden dazu, sich zunächst nur noch mit sich selber zu beschäftigen. In „Normal Again“ (6.17) muß Buffy die unendlich einsame Entscheidung treffen, ob sie ihre (TV-)Welt für eine Illusion hält, oder ob ihr wahres Leben jenes einer schizophrenen Wahnsinnigen im Irrenhaus ist. Vor die Wahl gestellt, ist sie einen Moment lang sogar kurz davor, ihre Freunde zu töten (bei „Slayage” findet sich hierzu einbemerkenswertes Essay). Zuletzt geht auch noch Willow abhanden – Buffys engste Freundin startet einen Rachefeldzug, der nur knapp gestoppt wird, bevor die das Ende der Welt herbeiführt. Es braucht die gesamte folgende siebte Staffel, um Buffy aus einem Abgrund tiefster Einsamkeit herauszuführen.

Buffys Erkenntnis, daß die Beziehung mit Spike der Versuch ist, eine Illusion aufrecht zu erhalten, leitet all dies ein, und die Einsicht, daß sie sie selber sein muß („I have to be strong about this“), bedeutet ihren endgültigen Eintritt ins Erwachsenenalter. - Soweit ist das alles unbestritten, und sowohl Fans als auch die Akademiker der „Buffy Studies“ sind sich hier völlig einig. Nur: warum kommt dieser Wendepunkt ausgerechnet in einer Folge zustande, die komplett aus dem Standard der Serie herauszufallen scheint? – Ich habe ein wenig gegoogelt, und nicht eine einzige positive Kritik der Episode gefunden.

Tatsächlich wimmelt es in ihr von Stereotypen: Riley, Buffys Ex-Freund, kommt zurück, und gibt die groteske Parodie eines ausgewachsenen Helden, der nicht nur erfolgreich – in der Manie eines James Bond – Monster bekämpft, sondern mittlerweile mit einer geradezu unglaublich perfekten Frau verheiratet ist. Mehr noch: er ist verständnisvoll und souverän, selbst als er Buffy und Spike im Bett ertappt; wird von den Scoobys verehrt und geliebt; hat am Ende der Folge einen grandiosen Abgang, als man ihn zu einem Helikopter hoch seilt, etc.pp.

Umgekehrt sind auch Buffy und Spike lebende Klischees: Spike als verblödeter Dealer von Monstereiern, die er an feindliche Regierungen verkaufen will, und Buffy als Low-Life, der der Gestank der Burgerbraterei derart penetrant anhängt, daß selbst die Vampire die Nase rümpfen und den Kampf mit ihr am liebsten auf den nächsten Tag verschieben würden.

Und so geht das weiter – die Musik ist von überzogener Dramatik; das Design des Monsters ein Witz aus lieblos zusammengehauenem Plastik; die Handlung eine einzige Katastrophe aus zusammengeklaubten Versatzstücken; die Darsteller übertreiben es so ziemlich in jeder Szene.

Zusammengefaßt: das ist ein ganz übles B-Picture, ungefähr das, was man von einer Folge einer Serie zu erwarten glaubt, die den Titel trägt: „Buffy, the Vampire Slayer“. (Mehr Details finden sich u.a. beim SF-Radio und bei CriticallyTouched.)

Ich muß zugeben, daß ich die Folge dreimal gesehen habe, und hinterher immer noch ratlos war. Wie kann es sein, daß eine derart entscheidende Episode derart schwach inszeniert wird? Wie können die Autoren um Joss Whedon solch eine bizarre Anhäufung von Fehlern machen? Wieso drängt es einen talentierten Autor wie Douglas Petrie dazu, hier nicht nur die Credits als „Writer“ einzustreichen, sondern zudem noch die Regie zu übernehmen?

Man kommt erst weiter, wenn man für einen Moment annimmt, daß es sich hier nicht um eine Ansammlung von groben Fehlern handelt, sondern daß das alles ganz bewußt so gewollt ist. Ich erinnere an „The Zeppo“ (3.13) – auch in dieser Episode gibt es eine Ansammlung von Klischees, die auf den ersten Blick nur idiotisch wirken, bei näherem Hinsehen aber die Funktion haben, die Rolle der Zuschauer der Show in ein bestimmtes Licht zu rücken (ich steige hier nicht näher ein, und verweise nur auf die Analyse bei der „Soulful Spike Society”).

Die Klischees in „As You Were“ sind nicht die Fehler der Autoren, sondern jene von Buffys eigener Sicht. In ihren eigenen Augen ist sie ein Looser in einem Job, der nicht nur ihre Kleidung zum Stinken bringt, sondern auch ihre Seele vergiftet; in ihren Augen ist ihre Beziehung mit Spike eine armselige Veranstaltung, in der es reicht, wenn Spike einfach nur sagen muß, daß er sie liebt und begehrt, um sie ins Bett zu bekommen. Es ist ihre Sicht der Dinge, daß Riley, der verflossene „normale“ Boyfriend, erwachsen ist und ein beneidenswertes Leben führt; und es ist ihre Wahrnehmung, daß die Monster, die sie täglich bekämpft, lächerliche Gestalten sind, die in Plastikanzüge gekleidete Statisten verdächtig ähnlich sehen. Auch die überaus euphorischen Reaktionen ihrer Freunde auf Rileys Rückkehr sind ihre Vorstellung davon, was ihre Freunde empfinden; usw. usf. Alle Klischees kann man sehr zwanglos analysieren als Buffys Bild von sich selber und der Welt, in der sie lebt.

Dabei ist es nicht das erste Mal, daß Joss Whedons Mannschaft „Buffy, die Person“, mit „Buffy, die TV-Show“ dialektisch in Beziehung setzt – gegeneinander ausspielt, könnte man sagen. Der Status in der persönlichen Entwicklung von Buffy wird hier in eins gesetzt mit der formalen Ordnung der Show – Buffy, die Person, ist (in ihrer Selbstwahrnehmung) ein einziges Klischee, und dazu wird auch die Erzählung über sie.

Ihre Ansprache an Spike (s.o.), mit der sie sich von ihm trennt, ist nicht nur inhaltlich ein Beweis dafür, daß sie verstanden hat, wie sehr sie sich selber betrogen hat. Indem sie Sätze sagt, die plötzlich jenseits aller Klischees daher kommen, wird auch in formaler Hinsicht der Bruch klar herausgearbeitet zwischen dem, was war (sic: „as you were“), und dem was kommen wird.

Die Episode mag einem nicht gefallen; sie ist dennoch ein Meisterwerk. Man kann ihr vielleicht vorwerfen, daß es nicht ganz einfach fällt, sie zu entschlüsseln – aber das war noch nie ein gutes Argument, wenn es um die Beurteilung von Kunstwerken ging.