24.2.2011

Guttenberg - Die verachtete Wissenschaft

Es gebe in Deutschland andere Probleme als Fußnoten, sagte Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident (als ob Plagiate gleich Fußnoten wären). Und die Bundeskanzlerin erklärte, sie haben einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter berufen (als ob ein Täuscher und Blender dasselbe wäre wie ein Assistent). Die beiden wissen sich einig mit einem Großteil der Bevölkerung, der Betrügereien im akademischen Betrieb offenbar für eine lässliche Sünde hält - im Unterschied zu Betrügereien im Sport, zum Doping, das in den Augen derselben Menschen unnachsichtig geahndet gehört.

Die Voraussetzung für solche Lässigkeit ist die Überzeugung, dass die gesellschaftliche Sphäre, in der sich Guttenberg seine Verfehlungen hat zuschulden kommen lassen, insgesamt von untergeordneter Bedeutung ist. Und das heißt nicht nur, dass es in Deutschland Wichtigeres gibt als Wissenschaft. Sondern es heißt auch, dass Wissenschaft so unwichtig ist, dass man dort krumme Touren drehen kann, ohne in den Sphären, die wirklich wichtig sind, Konsequenzen befürchten zu müssen. Die Unaufrichtigkeit des Verteidigungsministers fällt nicht ins Gewicht, weil sie in eine Sphäre fällt, die als solche nicht ins Gewicht fällt.[…]

Man kann nicht auf der einen Seite erklären, Bildung sei die wichtigste Ressource dieses Landes, um auf der anderen Seite die Qualifikationsstandards dem Populismus zu überlassen. Man kann Wissenschaft nicht gleichzeitig beschwören und verachten. Geschehen ist es trotzdem. Darin besteht die Verheerung, die diese Affäre zurücklässt.

(Thomas Steinfeld in der SZ)

Ich könnte noch einen Internet-Browser, mit dem man diesen Text liest, anweisen, jeden Satz oben fett zu drucken. Das würde natürlich nicht dabei helfen, meine Zustimmung in die Breite zu tragen. Dennoch ist allein diese Option übrig, um Einfluß auf das zu nehmen, was hier gerade geschieht.

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