22.2.2011

Guttenberg - der Zögling

Der Herr Guttenberg verzichtet auf etwas was er nie erworben hat.

Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg verzichtet dauerhaft auf seinen Doktortitel. Es schmerze ihn, den Titel nicht mehr zu führen, sagt der CSU-Politiker in Kelkheim bei Frankfurt. Ein Sprecher verdeutlicht, dass der Minister dauerhaft verzichten werde.

Das muss als ein Schuldeingeständnis gewertet werden. Die Verleihung der Promotionsurkunde wird in der Rückschau zu einem rechtswidrigen Akt. Den will er jetzt durch eine Verzichtserklärung rückgängig machen? Obwohl schon im Jahr 2007 die Voraussetzungen für die Promotion nicht gegeben waren wie er heute zugibt? Der “Jurist” Guttenberg nimmt das locker. Für ihn ist das Recht keine relevante Kategorie.

(Frank Luebberding bei weissgarnix; auch die Diskussion zum Eintrag ist nicht schlecht, und hat durchaus Highlights)

Es ist schon immer klar, daß für jene, die die Regeln aufstellen, diese Regeln nicht notwendig selber gelten. Das ist keine Neuigkeit, und war nie anders. Neu ist, daß man in einer Herrschaftsform, die sich (zumindest vordergründig) durch Verfahren des geschriebenen Rechts legitimiert, als Angehöriger der Elite den Rechtsbruch ganz offen leben kann. Wenn die Rechtsnormen, die gelten, um einen Doktortitel zu erlangen, für einen führenden Politiker außer Kraft gesetzt sind, lese ich das als ein Zeichen dafür, daß auch die Grundlage der demokratischen Ordnung – das Grundgesetz, die Verfassung – für die Politik ganz allgemein allenfalls noch eine marginale Rolle spielt. Der öffentliche Diskurs, anderswo, unterstreicht diese These, wohin man auch blickt.

Auch auf die Gefahr, künftig als Verschwörungstheoretiker dazustehen, mache ich mal Reklame für das (lange) Essay von Friederike Beck:

In Teil 1 des Guttenberg-Dossiers „Der Zögling“ wurde der Frage nachgegangen, was den neuen Wirtschaftsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg eigentlich für sein Amt qualifiziert. Dabei würdigte zeitgeist-Autorin Friederike Beck kritisch die Rolle von Elitenetzwerken wie dem American Council on Germany (ACG), der American Academy, dem Council on Foreign Relations (CFR) und seinem deutschen Ableger, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), deren transatlantischen „Junge-Führer-Programmen“ zu Guttenberg entspringt.

Teil 2 beschäftigt sich mit dem „Young-Leaders“-Ausbildungsprogramm und dem transatlantischen Machtgremium Atlantik-Brücke, in das Guttenberg (im weiteren vertraulichen Verlauf wie bisher „Gutti“ genannt) 2002 – direkt nach seiner Wahl in den Deutschen Bundestag und seiner Berufung in den Auswärtigen Ausschuss – aufgenommen wurde.

(Zeitgeist, Teil 1, Teil 2)

Ich kann nicht wirklich beurteilen, was in diesem Text komplett richtig, halb geraten, oder frei phantasiert ist – vieles macht jedoch mehr als genug (bzw. viel zu viel) Sinn, um durchaus ins Grübeln zu kommen. Lesenswert – ich bin gespannt auf den angekündigten dritten Teil.

[Nachtrag]: Lueberding schätzt die Bedeutung der transatlantischen Netzwerke komplett anders ein.

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