3.2.2011

Armutsdiskurs

Stefan Hradil stellt die Argumente in der Debatte über die Armut in den sog. reichen Industrieländern aus einer gewissermaßen „überparteilichen" Sicht zusammen:

Am Thema Armut scheiden sich die Geister[…] In diesem Essay sollen diese kontroversen Meinungsäußerungen zur Armut in Deutschland dargestellt, eingeordnet und, soweit wissenschaftlich begründbar, vorsichtig beurteilt werden. Es geht hier also weniger um die Meinung des Verfassers als um die Inhalte des aktuellen Meinungskonflikts.

Einigkeit besteht darin, dass Armut in modernen Gesellschaften nur noch selten „absolute“ Armut ist. Menschen laufen hier und heute nur noch selten Gefahr, infolge schlechter Lebensumstände zu verhungern, zu erfrieren oder unmittelbar krank zu werden. Kaum jemand bestreitet auch, dass Armut in diesem absoluten Sinne (moralisch) nicht zu rechtfertigen und (instrumentell) nachteilig selbst für die nicht Armen ist.

Als typische Armut in modernen Gesellschaften gilt die „relative“ Armut. „Relativ“ heißt sie deshalb, weil sie sich am Lebensstandard und an den Maßstäben der jeweiligen Gesellschaft bemisst. Über deren abstrakte Definition wird wenig gestritten.[…]

Die Kontroversen beginnen dann aber schon bei der Frage, inwieweit diese relative Armut existiert und wie gravierend sie gegebenenfalls ist. […] Vielen Finanz- und Sozialpolitikern leuchtet es […] nicht ein, Empfänger von Sozialleistungen als arm anzusehen. Denn deren Armut wird ja bekämpft, und zwar mit vielen Steuergeldern.

Das Essay finde ich so bemerkenswert, weil es nicht versucht, den neoliberalen Diskurs mit rhetorischen Mitteln niederzureden, sondern dessen Argumente komplett ernst nimmt. Zum Schluß muß dann der Leser selber entscheiden, auf welcher Seite er steht – und das ist dann nicht jene, deren Argumente „richtig“ sind, sondern die, deren Moral er teilt (wobei noch die Rede von der „richtigen Seite” eine Schwarzweißmalerei ist, über die zu entscheiden wäre).

(Via NachDenkSeiten)

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