8.8.2010

Das anrüchige Geschlecht

Ich kann es nicht glauben.

Dabei liegt das Gewaltmonopol weiterhin beim Mann, muß es vielleicht auch liegen, damit mit dogmatischer Strenge dem feministischen Abnormitäten, diesen krankhaften Überhöhungen der eigenen Geschlechtlichkeit, gefrönt werden kann. Gewalt, das ist eine männliche Domäne – Gewalt in der Ehe ohnehin, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass eheliche Gewalt ausgeübt von Frauen an ihren Männern, nicht nur keine Seltenheit, sondern eine erschreckende Alltäglichkeit ist.

Wo würde man solch ein Statement vermuten? Ich würde hier erst ganz zuletzt ausgerechnet beim (nach eigener Einschätzung: linksliberalen) Spiegelfechter suchen.

Ich habe das dort so kommentiert: »Das ist ein so unfaßbar dämliches Statement, daß ich nicht fassen mag, warum ich dieses Blog seit einigen Jahren regelmäßig gelesen habe. Ich schäme mich fast, nicht hinter die Fassade geschaut zu haben, hinter der hier offenkundig über die Jahre so getan wurde, als ginge es bei der vorgebrachten Kritik um den Versuch eines Entwurfs einer Alternative zum Bestehenden. Ich habe dafür genau ein Wort übrig: PLONK«.

Einen Moment hatte ich gefürchtet (vielmehr: gehofft), auf einen nachgezogenen Aprilscherz hereingefallen zu sein.

Von wegen.

In den Kommentaren gibt es u.a. den folgenden Eintrag:

Das außer einem “screw you guys, I’m going home” dann auch noch keine einzige Zeile sinnvolle Kritik kommt, spricht dann auch weiter für sich.

- den der Spiegelfechter so kommentiert:

Stimmt, das beobachte ich ja auch schon länger. Wenn sich die Empörten wenigstens daran halten würden ;-)
Dann hätte ich nun keine Verschwörungstheoretiker, keine militanten Nichtraucher, keine Islamhasser und keine Hardcore-Gender-Mainstreamer mehr unter den Lesern … hach, das wäre schön *g*

Den bisherigen Höhepunkt in der Debatte bietet dieses Statement:

In diesem Zusammenhang sollte auch die Zunahme der Häufigkeit von Homosexualität sowie deren gesellschaftliche Akzeptanz diskutiert werden.
Homosexualität ist nicht genetisch bedingt, folglich bedingt durch die psycho-soziale Umwelt.
Wir sehen auch das Phänomen der „Spät-Lesben“.
Da stellt sich Frage, ob dies nicht Ausdruck der Zunahme des Scheiterns und der Konflikte in Mann-Frau-Beziehungen ist, eben weil sich die Geschlechter heute häufig nicht mehr glücklich machen (können)?

Irgendwie möchte ich mich weigern, zuzugeben, in einem Universum zu leben, in dem man solche Statements ernsthaft kommentieren muß.


Nachtrag: Der Spiegelfechter hat einen Beitrag von Ines Fritz zum Urteil der Bundesverfassungsgerichts zur Stellung der Väter aus feministischer Sicht in sein Blog eingestellt, der auf diese Forderung herausläuft:

Die ideale Lösung für beide Probleme, die Zwangsverpflichtung der Mütter sowie der Ohnmacht williger Väter, bestünde in einer freiwilligen und selbst bestimmten Elternschaft per Anerkenntnisverfahren und zwar unabhängig von der Biologie und der Beziehung der Eltern zueinander.

Das ist ein bemerkenswert einfaches Konzept, das beide Seiten gleichermaßen in Rechte wie Pflichten versetzten würde (Cudos an Isi).


Nachtrag 2: Ines Fritz faßt ihr mit viel Vevre und Engagement – gerade auch in der Auseinandersetzung mit den teilweise überaus misogynen Kommentatoren – vorgetragenes Engagement beim Spiegelfechter so zusammen:

Das war mein erster und einziger Gast-Beitrag hier. Ich gehe ja auch nicht zum KuKluxklan und kämpfe für die Rechte der Schwarzen. Dem Geplärr der Männerrechtler kann ich sonst erfolgreich ausweichen, bzw. meide sie wie stinkende Sportsocken, und überlasse das Löschen der Spamantworten der Redaktion. Das hätte ich vorher abklären müssen, mein Fehler. Hier ist das alles ein bisschen aus dem Ruder gelaufen.

Nicht nur ein bisschen, fürchte ich.

Der Spiegelfechter hat hier einen ganz hervorragenden Job getan, um Frauen und Männer innerhalb der "linken Szene" aufeinander zu hetzen, die eigentlich besseres zu tun hätten – z.B. gemeinsam gegen den Wahnsinn des neoliberalen Mainstreams zu protestieren. Jens Berger gilt mein herzlicher Dank für diesen Dienst am Fortbestand des Bestehenden – Boy: diesmal hättest Du besser den Mund gehalten.


Nachtrag 3: Nachdem hier in den letzten Stunden haufenweise Besucher hereinspazierten, die im Referrer einen Verweis auf den letzten Artikel von Jens Berger stehen haben, mußte ich doch nochmal nachsehen, und die Debatte dort zumindest überfliegen. Danach habe ich ein Viertelstündchen geopfert und ein Script geschrieben, das die Referenzen in meinem Blog auf den Spiegelfechter um ein rel="nofollow" ergänzt.

Jetzt fühle ich mich ein wenig besser.


Nachtrag 4: Ich versuche gerade, meine Position in der Genderdebatte so zu formulieren, daß ich sie selber verstehe.

Es gibt hier im Blog einen Eintrag über Vernunft und Interesse, der für das Thema relevante prinzipielle Gedanken anreißt. Der Eintrag über die Grundlagen der Marx'schen Ideologiekritik gehört in dieselbe Ecke.

Das heißt nicht, daß ich auch nur annähernd die aktuellen Debatten kenne – ich versuche gerade, da wieder den Anschluß zu finden.


Nachtrag 5: Nachdem Google bei einer Suche nach dem unsäglichen Kampfbegriff der „Spätlesbe” ausgerechnet diesen Eintrag ganz oben unter den Ergebnissen ausspuckt, habe ich versucht, meine eigene Position in der Debatte über das Verhältnis von Identität und Geschlecht zusammenzufassen.

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