Ein Murmelspiel

PK erwacht in einer beengten, kärglich mit Bettgestell und Klo ausgestatteten Zelle. Nachdem er im Halbdunkel den Raum abgetastet hat und feststellt, daß er eingesperrt ist, wird die Tür aufgestoßen, und zwei Wachen betreten den Raum. Sie stoßen ihn grob, und befehlen ihm, mitzukommen. PK taumelt, immer wieder von ihren Knüppeln weiter getrieben, durch einen langen Gang, bis man ihm zu stoppen befiehlt, eine Tür an der Seite öffnet, und ihn in den Raum dahinter stößt. Auch diese Zelle ist klein, klaustrophisch – nur daß hier kein Bett steht, sondern ein einsamer Stuhl, auf den man ihn fesselt. Die Wachen verlassen den Raum, und PK sitzt mit dem Rücken zur Tür, wartet. Nach einiger Zeit hört er Schritte im Gang, die Tür geht auf, eine Stimme sagt: „So sieht man sich wieder“. PK wendet den Kopf, kann aber niemanden sehen, bis er wieder Geräusche hört, und – stark nach hinten verdreht – jemanden am Rande seines Gesichtsfeld erkennt: ein kleiner, unscheinbarer Mann, mit ungepflegten langen Haaren, gekleidet in eine Jeansjacke über einem weißen T-Shirt, der sagt: „Wirst Du es mir diesmal erzählen?“ PK hat den Mann nie gesehen, und weiß nicht, was der hören will, schüttelt nur den Kopf. „Gut“, sagt der Mann, und lächelt. Seine Augen leuchten blau mit einem merkwürdigen Strahlen, und irgend etwas verändert sich mit seinem rechten Arm, den PK gerade noch erkennen kann. Etwas kommt auf ihn zu – es wird schwarz, und er erwacht.

Wieder kommen die Wachen, wieder wird er in den Verhörraum geführt und auf dem Stuhl gefesselt, und wieder hört er dieselben Worte. Die Perspektive auf den Verhörer ist wie am Tag zuvor. Er erkennt jetzt aber etwas mehr von diesem seltsamen Arm – und der ist kaum menschlich, auch keine Prothese, nichts was er kennt.

Auch dieser Tag wiederholt sich, und PK versteht langsam, daß er sich genau so abspielt, wie die beiden zuvor. Dieselben Gesten, dieselben Worte, selbst die Bewegungen der Wachen, als sie ihn holen - alles ist exakt wie am Tag zuvor, inklusive einer Sekunde, einem winzigen Moment, in dem beide nicht auf ihn, sondern in den Gang hinter sich blicken.

Als diese Sekunde der Unaufmerksamkeit sich zum vierten Mal wiederholt, läßt PK sich auf den Boden fallen, und rollt zwischen die Füße der Wächter. Aus der Bewegung tritt er den ersten zwischen die Beine, nur um danach vom zweiten einen Schlag vor den Kopf zu bekommen. Benommen wird er in den Verhörraum geführt, um wieder dieselben Worte zu hören: „So sieht man sich wieder“. Pause. „Wirst Du es mir diesmal erzählen?“ Pause. „Gut“. Dann ist wieder der Arm in ihm.

Aber PK hat begriffen: die Bewegungen der zweiten Wache, ihn zu erwischen, nachdem er die erste niedergeschlagen hat, sind immer dieselben - sie sind vorhersehbar und lassen sich berechnen. Nach dem siebten Erwachen hat er es endlich geschafft, beide Wachen auszuschalten, steht erstmals frei im Gang, läuft in die Gegenrichtung – weg vom Ort seiner Folter auf der Suche nach einem Ausgang. Tatsächlich findet er eine Tür, die sich auch öffnen läßt, die jedoch in einen Raum führt mit zwei weiteren Wachen, die ihn überwältigen und ausliefern.


Schließlich ist PK in der Außenwelt - er muß noch durch ein Tor auf die Straße, und ist dem Lager endlich entkommen. Dort stößt er auf zwei Polizisten, die ihm in einem Streifenwagen entgegen kommen, festnehmen und ins Lager zurück bringen. Er weiß schließlich, wo sie fahren, versteckt sich lange im Straßengraben, bis sie vorüber sind, und läuft dann erst weiter – nur, um nach einiger Zeit wieder von ihnen ergriffen zu werden. Er lernt immer besser, sich den Polizisten zu entziehen, beginnt aber, Aktionen zu vergessen, die er dazu unternehmen müßte. Nach einiger Zeit - nach Monaten - schafft er es manchmal nicht einmal mehr aus dem Lager, weil er schon früh eine Aktion mit einer anderen verwechselt – statt eine Wache zu attackieren, duckt er hinter einer Deckung, was aber erst im übernächsten Schritt die richtige Reaktion gewesen wäre.

PK entschließt sich, die Polizisten auszuschalten, und nach zwei Versuchen gelingt es ihm, sie mit der gestohlenen Dienstwaffe zu erschießen. Endlich ist er frei, und läuft immer weiter die Straße entlang, bis die Sonne untergeht. Mit dem letzten Schatten erwacht er wieder in seiner Zelle.

Er beginnt, nachdem er die Polizisten ermordet hat, andere Wege neben der Hauptstraße zu suchen. Alle enden zusammen mit dem Tag, und enden damit, daß er im Lager einen neuen von immer gleichen Tagen beginnt. Schließlich gibt PK auf.

Zutiefst müde von der täglichen Folter sucht er schließlich nach einem anderen Weg aus dem Lager – und findet ihn, nicht durchs Haupttor, sondern an einer entlegenen Stelle durch einen Riß im Zaun. Dahinter verbirgt sich eine von Menschen komplett verlassene Welt – keine Straßen, keine Häuser, nur ein See, matschige Wege und ein einsamer Wald. Alle Versuche, mit schnellen Fußmärschen den Rand dieser Gegend zu erreichen, scheitern mit dem Ende des Tages – zum Schluß wandert er nur noch resigniert durch den Wald, und begnügt sich, Tag um Tag der Folter zu entgehen.

Einmal beschließt er, wieder den Weg durchs Haupttor zu versuchen, und nachdem er bei der ersten Begegnung die Polizisten nicht erschießt, sondern ihnen ausweicht, stößt er auf einen kleinen Flugplatz. Dort wird gerade der Motor einer Chessna angeworfen, und obwohl er nicht fliegen kann, entert er die Maschine. Beim ersten Versuch scheitert er an seinem Unvermögen, das Flugzeug zu steuern. Er überfliegt die Hauptstraße, und als er den Polizeiwagen sieht, dem er gerade ausgewichen war, zieht er die Maschine in die Hochspannungsleitung. Am nächsten Tag schafft er es, dem auszuweichen, und er frohlockt schon - als eine Kugel der Polizisten den Motor trifft. Nochmal zwei Versuche später ist er endlich über der freien Fläche und sieht schon die Sonne weit über dem Horizont – und...

Er erwacht. Der Raum ist völlig verändert, Vorhänge vor den Fenstern, ein Bücherregal an der einen Wand, ein Kleiderschrank an der anderen. PK steht auf, geht ins Bad nebenan, schlägt mit den Händen kaltes Wasser ins verschwitzte Gesicht, wäscht sich die Hände, trocknet sie mit einem Handtuch. Zurück im Schlafzimmer schlägt er das Bett aus und zupft am Laken. Er schläft ein - und hört in der Ferne des Bewußtseins ein Klopfen, ein kratzendes Geräusch. Er muß die Augen nicht öffnen, um zu wissen, daß neben dem Bett eine kleine Gestalt sitzt mit langen, ungepflegten Haaren, viel zu hellen blauen Augen und einem Arm, der sich gerade in etwas verwandelt, das nicht menschlich ist.