Über Werbung


(Foto: Ben Rimmer)

Niemand sieht freiwillig Werbung. Werbeblöcke im Fernsehen verleiten dazu, aufs Klo zu gehen oder sich ein Bier zu holen - wenn man nicht gleich mit der Fernbedienung seinen Unwillen äußert und den Sender wechselt. Während der Formel-I-Übertragungen auf RTL entschuldigen sich die Moderatoren regelmäßig, wenn sie eine Werbeunterbrechung ankündigen, und manchmal wird dort via Splitscreen wenigstens auf einem Teil des Bildschirms das Rennen weiter gezeigt. Ganz unmöglich ist die Situation beim Fußball. Die Spielhälften lassen sich definitiv nicht durch Werbeblöcke unterbrechen, so daß eine ausgedehnte Vorberichtserstattung dazu herhält, der Werbewirtschaft genug Raum zu verschaffen – von der Pause ganz zu schweigen, die fünfzehn Minuten lang fast ununterbrochen Werbung bringt. Die Vermutung liegt nahe, daß sowohl die Werbung schaltende Wirtschaft wie auch die Fernsehsender genau darüber Bescheid wissen, daß dort kein Mensch richtig hinschaut, und hier höchstwahrscheinlich sinnlos Geld verbrannt wird. Man kann den Erfolg solcher Aktionen ja nicht messen - man kann also einfach immer so weitermachen wie zuvor, ohne die Sinnfrage auch nur zu anzureißen.

Ähnliches kann man für die Printmedien sagen, die einen großen Teil ihres Einkommens aus dem Verkauf von Werbung beziehen. Ich frage mich immer, wer sich die Annoncen tatsächlich ansieht – ein Beispiel wären die doppelseitigen Auftritte von diversen Automobilherstellern (z.B. in der SZ), die man mit genau einer Handbewegung überblättert, wo sie doch so richtig viel Geld kosten.

Nicht anders sieht es im Internet aus, wenn Publikationen versuchen, sich mit Werbung zu refinanzieren. Es gibt meines Wissens ein einziges Beispiel, bei dem Werbung nachweislich funktioniert, und das ist Google. Überall sonst nervt man die User nur, wenn sie wieder und wieder mit der Maus den Scrollbalken bedienen müssen, um über eine lästige Einblendung hinweg zu kommen, oder wenn gar ein Popup-Window aufpoppt und weggeklickt werden muß. Hier herrscht insofern Waffenstillstand, als man die Anzahl der Klicks auf ein Werbeangebot zählen kann - die Anzeigenkunden also den Erfolg oder Mißerfolg klar dokumentiert bekommen – wobei die potentiellen Kunden zurückschlagen können, indem sie einen Adblocker installieren, der den ganzen Unsinn komplett aussperrt.

Auch in anderen Bereichen trifft man ständig auf Werbung, die eine ganze Skala von Gefühlen auslöst – und zwar grundsätzlich solche der negativen Art. Die Plakate auf Litfaßsäulen und an Wänden zerstören das Bild unserer Städte, ohne irgend etwas dafür zurückzugeben – sie sind nicht informativ oder unterhaltsam, sie sind einfach bloß häßlich. Den Vogel hat hier in Hamburg neulich H&M abgeschossen, als man ihr Sponsorentum für die Reparatur der St.Petri-Kirche (an der Mö) bezahlte, indem man den kompletten Bau in gigantische, für modische Kleidung werbende Plakate verpackte.

Man kommt dem Thema nicht näher, wenn man sich nur darüber aufregt und beschwert. Tatsächlich hat Werbung eine - möglicherweise maßgebliche - Funktion innerhalb des modernen Wirtschaftsytems. Ich glaube, man kann Werbung als eine – wichtige, vielleicht sogar zentrale – Funktion des Marketing beschreiben. Wenn man sich klar macht, daß die Wirtschaft der westlichen Hemisphäre eine weitgehend deindustrialisierte Zone darstellt, in der lediglich noch das Marketing für die in Drittweltländern stattfindende Massenproduktion geschieht, kann man sogar die These versuchen, daß Werbung heutzutage das zentrale Produkt der fälschlich immer noch so genannten Industrieländer darstellt.

[Ich muß mich zunächst vertagen.]