Hiob und die Freiheit (5)

(Themenanfang)

Die nächste Geschichte stammt aus dem Alten Testament.

Es ist die Erzählung von Hiob[1], der ein angesehener und wohlhabender Mann war, bevor er Opfer einer bizarren Wette zwischen Gott und dem Satan wurde. Gott zeigt sich hocherfreut über die Frömmigkeit Hiobs, worauf der Satan einwendet, diese sei ja angesichts dessen materiellen Wohlstands billig erkauft - eine These, die es zu überprüfen gilt. Hiob verliert also nicht nur seinen kompletten Besitz - auch all seine Söhne und Töchter finden den Tod (die Knechte, die ihm von diesen Schlägen berichten, überbringen die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften). Das läßt ihn aber keine Sekunde an Gott zweifeln, und der Satan, der wohl Gottes selbstzufriedenes Gesicht gesehenen haben mag, lästert jetzt darüber, ob diese Glaubensstärke auch dann noch vorhält, wenn man Hiob an Leib und Gesundheit geht. Hiob wird also von überaus schmerzhaften Geschwüren heimsucht, die ihn aufs Krankenlager zwingen. Aber selbst so läßt er sich nicht vom Glauben an Gottes Macht und Größe abbringen.

Hiobs Frau tritt auf ihn zu, und bedrängt ihn, Gott abzuschwören - vergeblich. Drei Freunde besuchen ihn am Krankenbett und wollen erfahren, welche Schuld er auf sich geladen habe - irgendeinen Grund müsse es schließlich geben, warum Gott ihn derart hart bestraft. Hiob verteidigt sich aber standhaft und bekundet, Gott stets die Treue gehalten und nichts Falsches getan zu haben. Schließlich spricht Gott selbst zu ihm, lehrt ihm die göttliche Größe und Allmacht und enthebt ihn des Fluchs. Hiob wird mit einem langen Leben gesegnet, bekommt noch einmal zehn Kinder und erhält seinen weltlichen Besitz doppelt zurück.

Eigentlich, so sollte man meinen, stimmt an dieser Geschichte gar nichts. Gott wird dargestellt als eitler Gesell, der damit prahlt, wie bedingungslos ihm sein Diener gehorcht. Wenn angezweifelt wird, daß dies eine großartige Leistung sei, hat er nichts besseres zu tun, als ein ebenso absurdes wie überflüssiges Theater zu veranstalten, um seinen Kritiker ins Unrecht zu setzen. Am Ende des Spiels, wenn endgültig klar ist, daß seine Prahlerei zur Realität wurde, verhöhnt er auch noch sein Opfer, indem er sich selbst als riesengroß und den Menschen als überflüssig und letztlich wertlos darstellt. Am Ende bekommt zwar Hiob seinen materiellen Einsatz doppelt zurück. Dabei scheint es überhaupt keine Rolle zu spielen, daß seine Kinder immer noch tot sind - von ihrer Wiederauferstehung ist jedenfalls nirgends die Rede. Im Grunde würde man solch eine Attitüde allenfalls von einem Wraith erwarten, der einen menschlichen Diener aus lauter Lust am Bösesein ein wenig quält.

Man findet in der Debatte über das Buch Hiob immer wieder Deutungen, die dort ein Beispiel für die Bedeutung von Demut angesichts Gottes unergründlichem Ratschluß vermuten. Man solle selbst vor schlimmsten Schicksalsschlägen nicht verzweifeln, sondern stets an Gott und seine letztendlich obsiegende Gerechtigkeit glauben. Der leidende Mensch werde durch Gott geprüft, und sei letztlich wertvoller als jener, dem diese Prüfung erspart bleibt. Erst aus dem Leiden entstehe wahre Größe. Der Heiland scheint dafür das beste Beispiel, und die Leiden Hiobs sind gewissermaßen nur eine Vorstufe zu Passion und Kreuz.

In meinen Augen ist diese Sichtweise eine groteske Verdrehung der Zusammenhänge. Man versucht hier, eine Sache zu rationalisieren und in eine Gesetzmäßigkeit zu zwingen, wo es diese gar nicht geben kann. Hiob wird eben nicht von Gott geprüft - als ob Gott hier Grenzen testen würde, obwohl er sich längst darauf festgelegt hat, daß dieser Test erfolgreich sein wird. Da Gott allwissend ist, weiß er natürlich auch, wie das Spiel ausgeht. Das ist keine Prüfung, sondern ein perfides Spiel - perfide, wenn es denn nicht Gott wäre, der es spielt. So aber handelt sie sich um ein Paradox, das man nicht aus der Welt schafft, indem man es leugnet und auf Ursache und Wirkung zu biegen sucht.

  1. [1] Der Link führt zum Text der Elberfelder Übersetzung der Bibel.

[Ich muß mich vorläufig vertagen.]