2.10.2009

Freiheit & Not (4)

(Themenanfang)

Auch die zweite Geschichte[1] spielt in der Pegasus-Galaxis.

Ein junger Mann erwacht in der Krankenstation von Stargate-Command, der sein Gedächtnis komplett verloren hat. Körperlich ist er unversehrt, auch wenn er täglich eine Dosis Insulin gespritzt bekommt, weil er (vorgeblich) zuckerkrank sei. Man sagt ihm seinen Namen und teilt ihm mit, daß er ein Leutnant der Airforce sei, der bei einem Kampfeinsatz gegen die Wraith verletzt wurde und nur mit knapper Not lebend entkam. Aber auch als man ihm seine Unterkunft zeigt, in der neben anderen persönliche Dingen auch ein Foto seiner Eltern steht, kehrt sein Gedächtnis nicht einmal ansatzweise zurück. Einzig sein Körper scheint sich gewisser Dinge zu erinnern – es zeigt sich, daß er über phänomenale Fähigkeiten im Kampf ohne Waffen verfügt. Auch in seinem Unterbewußtsein geschehen unerklärliche Dinge: er hat schlimme Alpträume, in denen er immer wieder unvermittelt einem Wraith gegenüber steht – man tröstet ihn und sagt, dies sei Resultat des Traumas, das er im Einsatz erlitt.

Während er wieder im Alltag Schritt zu fassen versucht, zeigt sich eine eigenartige Zerrissenheit im Verhalten seiner Mitstreiter und Kollegen. Die Menschen in seiner Umgebung nähern sich ihm gegenüber größtenteils wohlwollend – ja, eine Frau erklärt gar, sie sei ein enger Freund gewesen. Andere reagieren aber abweisend – und die Situation eskaliert, als man ihn ohne erkennbaren Anlaß körperlich heftig attackiert. Spätestens mit diesem Vorfall wird der vermeidliche Leutnant mißtrauisch und vermutet, daß man ihm wichtige Informationen vorenthält. Tatsächlich ist es schlimmer: man hat ihn offen angelogen, und ihm eine Vergangenheit angedichtet, an der nicht das Mindeste wahr ist: Er ist ein Wraith, den man mit dem Serum behandelt, das in der vorherigen Erzählung so fatale Folgen hatte, das mittlerweile aber tut, was es soll. Das Monster, dem er in seinen Träumen begegnet, ist er selbst, und jeder Traum ein Blick in den Spiegel der eigenen Vergangenheit.

Was für das Wraith-Mädchen die Erfüllung ihres Traums gewesen wäre, ist für den Leutnant völlig inakzeptabel. Nicht nur, daß man ihn belogen hat – und der Umstand, daß er mit dem Versprechen der Freundschaft zu einer schönen Frau in die Irre geführt wurde, spielt hier wohl eine besondere Rolle. Auch das Motiv, ihn in einen Menschen zu verwandeln, bestand keineswegs darin, ihm Gutes zu tun, sondern man wollte eine neuen Waffe gegen die Wraith testen. Entscheidend aber ist, daß man gegen seinen Willen seine eigentliche Natur außer Kraft gesetzt hat, und ihn zudem der eigenen Vergangenheit beraubte – man hat ihm seine komplette Identität genommen. Er setzt in der Folge alles dran, zu fliehen, und als er das schafft und die tägliche Dosis des vorgeblichen Insulins nicht mehr bekommt, verwandelt er sich Schritt für Schritt vom Mensch zurück in einen Wraith. Dabei verliert er nicht nur die menschliche Gestalt, sondern auch jedes Gefühl für Recht und Moral – er gehört nun wieder zum Lager des absolut Bösen.

Es scheint, die objektiven Einschränkungen durch die eigene Natur sind eine unabdingbare Vorbedingung, frei zu sein. Man kann sie nicht abschaffen, und wenn, dann nur in einem Akt der Gewalt, der zwangsläufig gleichzeitig auch jede Möglichkeit für Freiheit vernichtet. Jede Form von Manipulation führt dazu, daß Freiheit nicht mehr möglich ist. Das, was das Wraith-Mädchen für sich selbst um jeden Preis haben wollte, ist für den Leutnant völlig inakzeptabel, weil es von außen oktroyiert und unter Zwang geschah. Das Mädchen ist gescheitert, weil das Mittel nicht so gewirkt hat, wie vorgesehen. Obwohl das Mittel jetzt endlich tut, was es soll, funktioniert es nicht für den Leutnant, weil man es ihm aufzwingt. In der Entscheidung zwischen Gut und Böse spielt hier nicht das Ergebnis der Wahl eine Rolle, sondern allein die Art, wie es zustande kam – allenfalls akzeptabel in einem Akt der Freiheit.

  1. [1] Beide Geschichten sind nicht meine Erfindung, sondern Nacherzählungen von zwei Episoden aus der zweiten Staffel von „Stargate-Atlantis”.
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