18.9.2009

Netzwerkprodukte (29) - Userinterfaces (3)

(Themenanfang)

Bei der Entwicklung eines GUI („Graphic User Interface”) konkurrieren drei Herausforderung miteinander, und beim Design geht es darum, eine gewisse Balance zwischen ihnen zu finden. Zunächst ist dies die Anforderung, daß das Interface einfach zu verstehen sein soll. Zum zweiten soll es einfach bedienbar sein. Nicht zuletzt muß es sich mit den gegebenen Mitteln auch technisch umsetzen lassen.

Die beiden ersten Punkte - einfaches Verstehen wie Bedienbarkeit - scheinen einander zu bedingen, stehen aber in Konkurrenz zueinander. Ein User, der ein Programm gut beherrscht und auswendig kennt, wird i.d.R. völlig anders operieren, als jemand, der zum ersten Mal vor ihm sitzt. „Poweruser” wollen für jede Funktion einen Tastaturbefehl, während Neulinge auf vernünftig benannte Einträge in den Menus angewiesen sind. Wenn man mit einem Programm vertraut ist, kommt es darauf an, daß einzelne Arbeitsschritte optimal ineinander übergehen - eine Forderung, die darauf hinausläuft, die Werkzeuge für unterschiedliche Schritte dicht nebeneinander zu legen, was auf den ersten Blick für Verwirrung sorgt. Usf.

Amp Simulator

Ein recht schönes Beispiel für ein GUI, das anfangs überaus einleuchtend erscheint, nach einiger Gewöhnung jedoch hochgradig nervt, findet sich in der ursprünglichen Konzeption der Plug-in für Cubase VST. Man hat Mitte der 90er damit begonnen, Audio-Hardware (Effektgräte, Mischpulte, Synthesizer, usw.) im Computer zu simulieren. Um den Usern das Konzept verständlich zu machen, hat man auch die Benutzerführung der Hardware kopiert. Auf dem Computermonitor erscheinen Knöpfe und Schiebregler, blinkende LEDs und sogar Klaviertastaturen. Tatsächlich leuchtet das Konzept unmittelbar ein, und man kann die Software bedienen, ohne zuvor das Handbuch gelesen zu haben. Ohne diese Strategie wäre VST möglicherweise nicht derart populär geworden, wie es dies heute ist.

Dabei läßt die Begeisterung für die ebenso bunte wie vertraute Oberfläche jedoch nach, wenn man ernsthaft mit den virtuellen „Geräten” arbeiten will. Da stellt sich dann plötzlich heraus, daß der Text, mit dem bestimmte Werte dargestellt werden - wie auf der Hardware auch - nur eine Anzeige ist. Man kann ihn nicht doppelklicken und als Text editieren, sondern ist gezwungen, die Werte z.B. mit einem Drehregler einzustellen. Überhaupt die Knöpfe: man muß sie anklicken und mit der Maus einen Kreisbogen entlang fahren - ein Verfahren, das nicht nur ungenau ist, sondern irgendwann in den Gelenken und Sehen der Hände physische Schmerzen verursacht.

Irgendwann werden die Texte editierbar, und um einen Regler auf z.B. 0db (oder eine andere Default-Einstellung) zu bringen, muß man ihn nur noch mit gehaltener Command-Taste kurz anklicken. Auch die Drehregler verlieren ihren Schrecken, als man den Usern erlaubt, in den Präferenzen zwischen drei unterschiedlichen Modi zu wählen (u.a. einen Modus, bei dem man die Maus nicht kreisförmig, sondern auf und ab bewegt). Usf. Die Plug-in werden immer besser bedienbar, dabei aber gleichzeitig immer komplexer und schwerer zu verstehen - und zwar auch dort, wo sich an der die eigentlichen Funktionalität (der Klangerzeugung etwa) überhaupt nicht ändert. Ein Neuling hat derart viel über die Bedienkonzepte zu lernen, daß er anfangs nur verloren dasteht und nicht weiß, wo er beginnen soll.

Man kann letztlich in sämtlichen Programmen, die über ein gewisses Maß an Komplexität verfügen und schon einige Updates hinter sich haben, das Phänomen betrachten, wie ein ursprünglich logisches und stimmiges Konzept nach und nach „in die Breite geht”. Dabei rede ich gar nicht von „Bloatware” - wenn also ein Programm immer mehr aufgeblasen wird und nach Jahren über Funktionen verfügt, die allenfalls ein kleiner Teil der User nutzt, und die in erster Linie womöglich eingebaut wurden, um die Schlacht um neue Features nicht gegen die Konkurrenz zu verlieren. Schon beim Versuch, alltägliche Abläufe - den berühmten „Workflow” - so zu optimieren, daß sie mit möglichst wenigen Aktionen ausführbar sind, passiert es regelmäßig, daß eine Apllikation sich nach und nach in ein Monster verwandelt, das ein Anfänger nicht mehr durchschaut. - Interessanterweise sind an solchen Entwicklungen i.d.R. die User selber schuld.

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