2.9.2009

Handwerker und Genies - Exkurs: Wilhelmine Schröder-Devrient (2)

(Themenanfang)

Das Leben der Schröder-Devrient (1804-1860) ist nicht weniger bewegt als ihre künstlerische Laufbahn, und durchaus untypisch für ein Frauenschicksal des Biedermeier. Sie heiratet, achtzehnjährig, Karl Devrient, und hat mit ihm in kurzer Folge vier Kinder. Das jüngste - Sophie - stirbt noch als Kleinkind, als es eine Amme zu Boden fallen läßt, während die Mutter im Theater ist. Für die Schröder-Devrient wird dies zum Trauma, und sie trauert noch nach Jahren um das „für ihre Kunst gemordete Kind”[1]. Die Ehe wird nach sechs Jahren 1828 geschieden, wobei der Gatte das Sorgerecht für die Kinder erhält - ein noch heute eher untypischer Vorgang, der für damalige Verhältnisse völlig ungewöhnlich ist, und zu Spekulationen Anlaß gibt, wie die Sängerin wohl mit ihrem Ehemann umgesprungen sein mag.

Sie heiratet erst 1847 ein zweites Mal, diesmal einen waschechten Betrüger, der sie in den finanziellen Ruin treibt - nicht zuletzt, indem er in die ein Jahr später folgende Scheidung nur nach Zahlung einer hohen Summe einwilligt. Man kann nur spekulieren, was die hochintelligente Frau in solch eine Verbindung getrieben haben mag - ebenso wie über mögliche Affären in den knapp zwanzig Jahren zwischen den Ehen. Ihr Biograph, Alfred von Wolzogen, tritt dort vornehm zurück. Sie selber hält sich da weniger bedeckt[2]:

Von Prüden mag ich nicht gerichtet sein! - Woher kommt es, daß selbst die ehrsamsten Mütter und sittiglichsten Töchterlein sich von meinen theatralischen Darstellungen ohne das mindeste Bedenken hinreißen lassen, ja ganz unwillkürlich hinreißen lassen müssen? Weil ich das Außergewöhnliche, das sie nicht kennen, im Leben durchgemacht und deshalb auch wiederzugeben weiß. Nun denn - wenn sie dieses Außergewöhnliche, das was ihnen imponiert, weil sie's mir nicht nachmachen können, von mir sehen und sich dadurch entzücken lassen wollen, so dürfen sie auch nicht von mir verlangen, daß ich die Schranken ihres langweiligen Lebens niemals überspringe, denn innerhalb derselben blüht kein Weizen für meine Kunst!

1850 heiratet sie ein drittes Mal, diesmal einen adligen Gutsbesitzer, Heinrich von Bock - und diese Ehe hält bis zu ihrem Tod zehn Jahre später. Sie stirbt nach langer, qualvoller Krankheit am 26. Januar 1860. - Wilhelmine Schröder-Devrient ist auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden begraben.

  1. [1] Alfred von Wolzogen, Wilhelmine Schröder-Devrient. Leipzig 1863, S.90f.
  2. [2] Zitiert nach Wolzogen, aaO, S.90f.

Die Quellen über Leben und Wirken der Schröder-Devrient sind äußerst dünn gesät. Die einzige ausführliche Biografie wurde kurz nach ihrem Tod von Alfred von Wolzogen geschrieben (man findet das eingescannte Buch komplett bei Google). Es fehlt eine aktuelle Biografie, die allerdings einiges an Forschungsarbeit erfordern würde - der Nachlaß liegt ungeordnet und verstreut in zahlreichen deutschen Bibliotheken (vergl. die Angaben bei MUGI).

Wenn ich mir ansehe, welche Anzahl von Arbeiten z.B. über eine Alma Mahler existieren (deren Leben musikhistorisch allenfalls eine Anekdote darstellt), wundert es mich schon, daß sich niemand dieses Themas bisher angenommen hat. Schließlich ist die Schröder-Devrient eine zentrale Gestalt in der Musikgeschichte, die zudem ein Leben geführt hat, das Stoff für einen großen Roman liefern könnte.

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