1.9.2009

Handwerker und Genies - Exkurs: Wilhelmine Schröder-Devrient

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Wilhelmine Schröder-Devrient
Wilhelmine Schröder-Devrient

Wilhelmine Schröder-Devrient (1804-1860) war der erste Sänger-Darsteller im modernen Sinn. Zuvor standen die Sänger dem Publikum zugewandt am Bühnenrand, und haben ihren Arien allenfalls einige wenige, standardisierte Gesten hinzugefügt. Mit der Schröder-Devrient kehrt das Schauspiel in die Oper ein. Sie ist die erste, die eine Rolle auf der Bühne spielt, und zwar auch dann, wenn sie gerade nicht zu singen hat. Ihre Stimme wird von den Zeitgenossen durchaus kontrovers bewertet - sie war wohl gelegentlich am Sprechen oder gar am Schreien, um die dramatische Wirkung ihrer Rolle zu steigern, und ihre Stimme war früh verbraucht. Unbestritten ist jedoch, daß ihr Spiel das Publikum zu Tränen rühren konnte.

Wilhelmine ist die Tochter von Friedrich Schröder, einem bekannten Bariton, und seiner Ehefrau Sophie, einer Schauspielerin von Rang. Schon als Fünfjährige steht sie, als Balleteuse, erstmals auf der Bühne. Mit fünfzehn wechselt sie zum Schauspiel, wobei sie gleichzeitig beginnt, Gesangsunterricht zu nehmen. Nur zwei Jahre später hat sie ihr Debüt als Sängerin, das überaus erfolgreich gewesen sein muß - 1822, noch keine achtzehn Jahre alt, wird sie für die Erstaufführung der Endfassung von Beethovens Fidelio engagiert, und feiert einen durchschlagenden Triumph in der Rolle der Leonore. Die junge Frau spielt und singt ihren Part vor einem Publikum, in dem auch der verbitterte und mittlerweile taube Komponist persönlich Platz genommen hat - und Beethoven ist, laut übereinstimmenden Zeugnissen, von ihrer Darstellung überaus beeindruckt. Ihre Interpretation der Leonore trägt entscheidend dazu bei, daß die Oper endlich zu dem Erfolg wurde, der ihr bei der Uraufführung versagt geblieben war.

Den zweiten Meilenstein in ihrer Karriere stellen die Begegnungen mit Richard Wagner dar. Der junge Wagner hatte sie auf der Bühne erlebt, und wurde - von ihrem Auftritt nicht weniger als sein frühes Idol, Beethoven, beeindruckt - von ihrer Auffassung des Sänger-Darstellers entscheidend geprägt. Er hat die Schröder-Devrient überreden können, bei den Uraufführungen des Rienzi (1842), des Fliegenden Holländers (1843), und des Tannhäusers (1845) die weiblichen Hauptrollen zu singen, auch wenn sie bei letzterer Gelegenheit große Bedenken hatte, mit ihren mittlerweile 41 Jahren noch die Partie der Venus zu übernehmen. Man kann den Einfluß, den sie auf die Vorstellung Wagners von der Oper als Gesamtkunstwerk hatte, wohl schwerlich überschätzen, wie Wagner selbst mehrfach explizit hervorgehoben hat. Eine Marmorbüste der Sängerin stand (und steht?) dann auch in seinem Arbeitszimmer in der Villa Wahnfried in Bayreuth.

Dabei sind die Begegnungen Schröder-Devrients mit Beethoven und Wagner nur zwei Eckpfeiler, zu denen zahllose Uraufführungen der Werke von seinerzeit hoch geschätzten Komponisten kommen, an denen sie - regelmäßig in der Hauptrolle - beteiligt war. Sie stand viele Jahre im Zentrum des Musiklebens ihrer Zeit, und galt als ebenso bedeutend wie ihre heute bekanntere, vier Jahre jüngere Rivalin, Maria Malibran. Bei umjubelten Konzertreisen, die sie durch ganz Europa führten, hatte sie ein ganz erstaunliches Repertoire im Gepäck, das mehr als sechzig(!) Hauptrollen in italienischen, deutschen, und französischen Opern umfasste.

Teil 2

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