31.8.2009

Handwerker und Genies (11)

(Themenanfang)

Der Aspekt der kollektiven Arbeit bei der Kunstproduktion tritt deutlich zu Tage, wenn man auf die Produktion einer Oper - z.B. im 19.Jh - schaut. Hier ist nicht nur der Komponist für das Werk verantwortlich, sondern auch der Librettist, wobei die Dichtung im Vergleich zur Musik ein bedeutendes, gelegentlich gleichrangiges Gewicht hat. Wenn man nicht nur die Partitur, sondern die Aufführung mitbedenkt (und ohne letztere kann man m.E. nicht von einer Oper sprechen), kommen nicht nur die Musiker und Sänger zum „Kollektiv” hinzu, sondern auch eine ganze Reihe anderer Spezialisten in unterschiedlichen Berufen. Zumindest der Regisseur und der Bühnenbildner haben Funktionen, die als so bedeutend gelten, daß es in diesen Berufsgruppen Berühmtheiten gibt, deren Wirken - nur aufgrund zeitgenössischer Berichte - man heute noch erinnert. Daneben gibt es aber eine ganze Reihe Beteiligter, die zwar schlecht bezahlt und völlig unbekannt, trotzdem aber unverzichtbar sind: die Bühnentechniker, Gardobieren, Chauffeure der Droschken zum Opernhaus, usf.

Die bedeutendste Rolle spielen hier aber die Sänger. Ihre Namen sind den Zeitgenossen häufig geläufiger als jene der Komponisten (nicht anders als heute im Film, wo die Schauspieler bekannter sind als die Regisseure). Das liegt nicht allein an der Qualität ihrer Stimmen, sondern auch an ihrer körperlicher Erscheinung. Sie sind nicht nur singendes Personal, sondern auch Darsteller ihrer Rollen. Ihr Spiel, ihre Gesten, und nicht zuletzt ihre Gesichter geben einer Opernproduktion eine unmittelbare Wirkung, die auch jene nachvollziehen können, die vom Gesang wenig und der Musik nichts verstehen. Das auratische Moment, von dem Walter Benjamin sprach, ist in der Musik sowieso schon übersteigert, weil eine Aufführung nicht bloß ein Original, sondern unwiederbringlich ist. Es verdichtet und fokussiert sich in der Oper in der Person des Sängers.

Diese Außenwirkung, die sich abgekoppelt von der sängerischen Leistung betrachten läßt, erlaubt es, auch heute noch nachzuvollziehen, warum eine Wilhelmine Schröder-Devrient einst als großer Sänger galt, obwohl keine Aufnahme ihrer Stimme überliefert ist. Die Zeitgenossen konnten ihre Stimme nicht beschreiben, wohl aber ihre Persönlichkeit und ihr Auftreten. Allein schon ein gemaltes Bild von ihr legt nahe, was sie ihrem Publikum einst gegolten haben mag (zu dem übrigens sowohl Beethoven als auch Wagner gehörte). So hat sich nicht ihr Ruhm als Sänger tradiert - der läßt sich bloß behaupten -, wohl aber ihre Rolle als Star.

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