Handwerker und Genies - Repräsentation vs. Ideologiekritik

Das 19. Jahrhundert wird nicht länger aktiv erinnert, es wird nur noch repräsentiert. Dies hat es mit früheren Epochen gemeinsam. In der Geschichte der Repräsentation von kulturellem Leben nimmt es jedoch einen einzigartigen Platz ein[…]. Die meisten der Formen und Institutionen solcher Repräsentation sind Erfindungen des 19. Jahrhunderts selbst: das Museum, das Staatsarchiv, die Nationalbibliothek, die Photographie, die wissenschaftliche Sozialstatistik, der Film. Das 19. Jahrhundert war eine Epoche organisierter Erinnerung und zugleich gesteigerter Selbstbeobachtung.
(Jürgen Osterhammel. Die Verwandlung der Welt. München 2009, S.26. - Hervorhebung von mir)


[Richard Wagner] gehört zu einer Generation, der erstmals in einer durch und durch vergesellschafteten Welt die Unmöglichkeit aufging, individuell zu wenden, was über den Köpfen der Menschen sich vollzieht. Versagt jedoch war ihm, die übergreifende Totalität beim Namen zu rufen. So verwandelt sie sich ihm in Mythos. Die Undurchsichtigkeit und Allmacht des sozialen Prozesses wird vom Individuum, das sie erfährt und das doch eben mit den herrschenden Mächten jenes Prozesses sich gleichsetzt, als metaphysisches Geheimnis verherrlicht. Wagner ersinnt das Ritual der permanenten Katastrophe. Sein losgelassener Individualismus spricht übers Individuum und dessen Ordnung das Todesurteil.
(Theodor W. Adorno. Die musikalischen Monographien. Ff/M. 1994, S.114 - Hervorhebung von mir)