Zur Adaption von außereuropäischer Musik (2)
(Quelle)
Das Video ist ein schönes Beispiel dafür, wie guter Wille und schlechter Verstand aufeinander treffen. Mich macht das wirklich wütend, und ich kann mir eine Polemik nicht verkneifen:
Im ersten Moment kann man ehrlich verzückt sein angesichts all dieser Menschen, die sich über die Grenzen der Kontinente die Hände reichen, und mit ihren völlig unterschiedlichen Instrumenten ein und denselben Song gemeinsam spielen.
Wenn man ein wenig genauer hinsieht, fällt einem aber doch die andere Seite auf: man spielt hier einen genuin weißen Song, der darüber hinaus geradezu trostlos klischeebehaftet daherkommt - wahrscheinlich, um das kleinste gemeinsame Vielfache aller Beteiligten nicht zu gefährden. Das Ganze findet dann noch mitnichten unter den Bedingungen gleichberechtigter Kommunikation statt: man hat zu einem Clicktrack zu spielen, den der (weiße) Reisende mit sich führt, ganz wie einst zu Zeiten der Kolonisierung das Versprechen von Zivilisation.
(Ich hatte zum Thema der Adaption von außereuropäischer Musik bereits etwas ausführlicher Stellung bezogen.)
Hm. Eigentlich habe ich mir nichts böses dabei gedacht, als ich mir das Video anschaute, habe das nicht als ein weiteres kleines Beispiel von "Kulturimperialismus" empfunden, empfand es eher als nette Idee mit durchaus beeindruckendem Ergebnis. Allerdings bin ich natürlich auch gefangen in unserer Kultur, die sich so gerne für die beste hält. Ich kann deine Argumentation gut nachvollziehen, das Muster ist tatsächlich bekannt - dennoch halte ich deine Kritik aber für etwas übertrieben, weil es sich ja nur um ein kleines Projekt handelt, ein einzelnes Lied, nicht um eine Art von Kulturexport oder Missionierung, dauerhaftes Eindringen und Verwandeln von anderen Kulturen - also nicht vergleichbar mit dem McDonald in Prag.
Aber natürlich ist es typisch, dass als kleinster gemeinsamer Nenner ein Popsong herhalten musste, der in der westlichen Welt ein grosser Hit war (anstatt zum Beispiel 5 Songs aus jedem Kontinent, die jeder der Künstler in seiner eigenen Sprache singt).
Michael, ich habe mir gerade die Seiten des Projekts nochmal angeschaut und festgestellt, dass tatsächlich auch Lieder aus anderen Kulturen gesungen werden (wenn auch stark englisch-lastig), was den Vorwurf des Kulturimperialismus doch entkräftet.
> Dennoch halte ich deine Kritik aber für etwas übertrieben
Ich habe ja geschrieben, daß ich mir eine "Polemik" nicht verkneifen kann :-)
Dennoch ist es m.E. symptomatisch, wie die Wahrnehmung verrutscht (damit bist ausdrücklich nicht Du gemeint!), wenn man "kommerzielle" Unternehmungen (wie McDonalds) mit "gut gemeinten" Projekten wie oben vergleicht: das eine ist grundschlecht, das andere nur noch toll - das, obwohl da letztlich dieselbe Ideologie zu Tage tritt.
Klar: McDonalds hat bestimmte Folgen, die die "nette Idee" (mal am Rande - ich habe da nicht näher nachgeschaut - wer sind die Sponsoren?) nie hervorbringen könnte. Interessanterweise haben beide Projekte aber ein verdammt ähnliches Fundament. Das eine ist riesig, und wird entsprechend kritisiert. Das andere hat keine Folgen - obwohl das alles mit z.T. aberwitzigen Hoffnungen verbunden ist ("we will change the world").
Wenn man genauer hinschaut, ist das alles aber aus ein und demselben Beton.