4.7.2009

Datenkraken (9) - Datenschutz und Kommentarfunktion

(Themenanfang)

Stefan Niggemeier hat Post vom Berliner Datenschutzbeauftragten bekommen, in der er - unter Androhung einer Strafe von bis zu 50.000 Euro - dazu aufgefordert wird, die Speicherung der IP- und E-Mail-Adressen seiner Kommentatoren einzustellen.

[Der Datenschutzbeauftragte] verweist auf das Telemediengesetz, wonach “Nutzungsdaten” in der Regel “nur zu Zwecken der Abrechnung” gespeichert und “Bestandsdaten” wie die E-Mail-Adresse nur erhoben werden dürften, “soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgesatltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind”.

Niggemeier versteht die Welt nicht mehr, war er doch vor kurzem dazu verdonnert worden, Kommentare nicht mehr ungeprüft zu veröffentlichen, sondern sie vorher auf rechtlich unzulässige Äußerungen zu prüfen. Ein Teil der Begründung des Gerichts lautete, daß er aufgrund der Anonymität der Kommentare nicht wissen könne, wer da bei ihm hereinschneit, und er deshalb die Beiträge zu moderieren habe.

Niggemeier argumentiert, daß durch das Verbot der Speicherung von IP-Adressen ihm eine Möglichkeit genommen sei, die Identität der Kommentatoren wenigstens näherungsweise zu bestimmen. Zumindest grober Mißbrauch durch Identitätsklau ließe sich ausschließen. Auch gäbe es auf diese Weise die Möglichkeit, ggf. den kompletten IP-Bereich eines Krawallmachers zu sperren und erst nach Moderation freizuschalten.

Ich will hier nicht alle Argumente auflisten, und nenne nur die m.E. wichtigsten. Mir fällt dabei auf, daß Niggemeier - wie übrigens auch der Großteil der Kommentatoren unter seinem Artikel - an einer zentralen Stelle mit zweierlei Maßstäben mißt: wenn er für sich das Recht beansprucht, bestimmte Daten zu erheben, müßte er dies gleichzeitig dem Innenministerium oder dem BKA zugestehen. Ich denke, ich bekomme wenig Widerspruch, wenn ich mich vehement dagegen wehre, daß staatliche Stellen meine Bewegungen im Netz beobachten, indem sie meine IP-Adresse bei bestimmten Gelegenheiten abgreifen und protokollieren. Dann lautet aber die Folgerung, daß dies auch kein Blogger tun darf, für welch ehrenwerte Zwecke auch immer. Das Argument „wir sind doch die Guten” fällt auch von staatlicher Seite, und man macht es nicht richtiger, wenn man es selber in den Mund nimmt.

Man sollte sich bei dieser Angelegenheit den Grundsatz des Datenschutzes ins Gedächtnis rufen: Datenschutz ist zunächst Datenvermeidung, d.h., man erfaßt nur dann Daten, wenn dies unbedingt geboten ist. Wenn man einen Führerschein beantragt, muß man seine Adresse angeben, nicht aber seinen Beruf oder Arbeitsplatz - die Polizei muß nicht wissen, wo ich arbeite, um mir einen Strafzettel zu verpassen. Gleiches gilt im Grunde für IP- und E-Mail-Adresse: für die Funktionsweise der Kommentarfunktion spielen sie keine Rolle, und ermöglichen lediglich einige unterhaltsame Spielereien, wie z.B. die Entlarvung von Trollen, die unter falscher Flagge segeln (wie war das neulich? ein angeblicher Angehöriger der X-Partei schreibt Kommentare, die von einem Rechner der Y-Partei-Zentrale abgeschickt werden?).

Dabei ist es zunächst einmal unerheblich, daß in heutigen Zeiten das Datenschutzgesetz ein zahnloser Tiger ist und seine Wurzeln aus den 80er Jahren nicht verleugnen kann. Google und Co werden in ihrer Funktionsweise nicht einmal annähernd begriffen, und können deshalb auch nicht wirkungsvoll in ihre Schranken verwiesen werden. Eine interessante Pointe ist die, daß auch jener Teil der Öffentlichkeit im Netz, der Netzneutralität und Datenschutz auf seine Fahnen schreibt, sich nur allzu gerne jener Dienste bedient, die die Wege ihrer Benutzer haargenau aufzeichnen und dadurch deren Vorlieben manchmal besser kennen, als deren Ehepartner. - Aber das Thema hatte ich ja schon vor längerem am Wickel. Ich deute das hier noch einmal an, um klar zu stellen, daß die Zuordnung von „Guten” und „Bösen” hier - wie immer im richtigen Leben - definitiv nicht zu haben ist. Es braucht Regeln, die ausnahmslos für alle gelten.

Ich hätte einen Vorschlag, wie man die Kommentarfunktion so umgestalten kann, daß man der rechtlichen Verantwortung der Blog-Betreiber für den Inhalt der Kommentare relativ komfortabel gerecht wird, ohne den Fluß der Diskussion durch permanente Moderation zu zerstören: die Kommentatoren müssen sich registrieren, wie in Foren. Einige Blogs machen das bereits - bei „blogger.de” gibt es sogar ein Verfahren, das alle unter diesem Host geführten Blogs umfaßt. Ich habe dort noch nicht beobachtet, daß irgendjemand großartig mault oder sich über die Einschränkung seiner Meinungsfreiheit beschwert. Im Gegenteil: durch die eingebaute Hürde überlegt sich wohl so manch ein Troll, ob es den Aufwand wert ist - er geht ja das Risiko ein, mit einem Mausklick wieder herauszufliegen, wenn er seinen Müll erzählt, und weiß schon vorher, daß er sich dann nicht so ohne weiteres unter einem neuen Nick weiter austoben kann.

Auch die technische Seite solch einer Lösung wäre nicht besonders schwierig. Zum einen wäre es ein Feature-Request an die Wordpress-Autoren - ich bin sicher, daß sich so etwas relativ leicht erledigen läßt, wenn es ein Plug-In in dieser Richtung nicht sogar schon gibt. Zum zweiten gäbe es die Option, die Registrierung zu zentralisieren. Man könnte einen Dienst schaffen, über den Blogs Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank mit registrierten Kommentatoren bekommen. Mit kleinen Bildchen geht so etwas schließlich auch.

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