30.6.2009

Das Mensch-Motorrad-System (5)

(Themenanfang)

Todesco:

Ich sehe das auch so, dass wir unterhalb des Limits regeln. Das ist das ABS-Bild. Wenn ich ein ABS habe, muss ich selbst nicht mehr regeln. Das ABS zeigt mir, was ich davor selbst leisten musste.

Ich würde aber Deine These gerne vereinfachen und nicht von einem persönlichen Limit sprechen, sondern sagen, dass wir alle am physikalischen Limit entlang regeln. Die eine machen das besser als die andern, was wir als "gute Fahrer" bezeichnen.

Bei wirklich guten Fahrern sind physikalisches und persönliches Limit nahezu deckungsgleich.
Ich würde dann sagen, dass gute Fahre ihren Sollwert näher am physikalischen Limit haben. Hast Du die Zeitschrift "Motorrad"? In der neusten Nummer werden verschiedene ABS verglichen. Da kann man sehen, dass die ABS auch verschieden gut sind.

Den Vergleich mit dem ABS finde ich durchaus hilfreich. Dennoch bin ich der Meinung, daß man die Unterscheidung zwischen physikalischem und persönlichen Limit nicht aufgeben sollte - das ist ein Konstrukt, mit dem man einige Punkte einkreisen kann, die sonst unter den Tisch fielen.

Da gibt es den Aspekt, den ich als die „Angst des Heizers vor dem Regen” bezeichne. Ich hatte davon bereits anhand eines konkreten Beispiels berichtet, und fasse das mal etwas abstrakter zusammen:

Moderne Sportmaschinen in Zusammenhang mit den Fortschritten bei der Entwicklung der Reifen bieten - zumindest bei trockenem, warmen Wetter, womöglich noch auf dem speziellen Asphalt einer Rennstrecke - einen Grip, der das physikalische Limit in Bereiche verschiebt, die selbst ein erfahrener Hobbyracer nicht annähernd ankratzen kann. Ein typischer Heizer, der sein 1000er-Superbike mit knapp 180 PS auf vorgewärmten Slicks über die Rennstrecke scheucht, muß ein wenig aufpassen, daß er beim Rausbeschleunigen aus der Kurve den Gaszug nicht einfach aufreißt (sofern er überhaupt schon in der Kurve beschleunigt, und nicht erst dann, wenn die Maschine sich schon wieder aufgerichtet hat). Ansonsten kann er permanent am persönlichen Limit fahren, und wird nicht im Mindesten damit belästigt, daß er irgend etwas regeln muß.

Sobald sich die Gripverhältnisse verschlechtern, kommt das persönliche aber dem physikalischen Limit immer näher. Auf regennaßer Strecke etwa können die meisten Heizer nicht mehr so schnell fahren, wie sie eigentlich möchten - ihr persönliches Limit liegt plötzlich über dem physikalischen Limit. Jetzt wären sie endlich gezwungen, das Popometer zu befragen, und auf entsprechende Rückmeldung regelnd einzugreifen. Interessanterweise sind das dann die Fahrer, die solch eine Situation nie geübt haben, nicht beherrschen und auch gar nicht lernen wollen. Man macht das Tempo über das Material, und nicht, indem man sich um die Einheit des Mensch-Maschine-Systems bemüht.

Ebenso verhält sich das - und ein echter Heizer wird bei diesem Vergleich in die Luft gehen - bei Fahrern, die Angst vor der Schräglage haben. Auch sie sind nicht am „Regeln”, sondern kämpfen mit ihrem persönlichen Limit. Auch hier rutscht kein Hinterrad oder schlägt das Popometer Alarm - man fährt so, wie man glaubt, daß es schnellst möglich geht.

Bei Bernt Spiegel läuft die entsprechende Diskussion über die Differenz zwischen „Einbauteil” und „Ladegut”. Dabei stellt sich in der Praxis heraus, daß nicht nur Anfänger, sondern ausgerechnet auch Fahrer, die ein Heidengeld in ihre Maschine und das gesamte Drumherum (Kleidung, Reifen, Zubehör) stecken, nur allzu oft als „Ladegut” unterwegs sind.

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