Das Mensch-Motorrad-System (3)
Es sieht also so aus, als ob es keinen objektiv für jedes Mensch-Motorrad-System gleichermaßen gültigen Sollwert gibt, sondern daß dieser von der Motivation des Fahrers abhängt.Ich würde sagen: von der Motivation des Beobachters. Der Beobachter bestimmt das beobachtete System. EINFACH gesagt: Wir zwei beobachten „richtig schnelle Motorradfahrer”, also keine Tourer und Chopper, auch wenn die zweifellos auch Motorrad fahren.
Das kann ich nachvollziehen - ich denke auch, daß wir sonst dasselbe Thema aus viel zu vielen unterschiedlichen Richtungen betrachten müßten. Ich werde „die anderen Fahrer” erst einmal zurückstellen, und habe die Hoffnung, daß man auch andere Motivationen „in den Griff bekommt”, wenn man den „schnellen Fahrer” „verstanden" hat.
In der kybernetischen Systemtheorie muss [der Sollwert] so angelegt werden, dass er als Resultat einer Regelung erscheint. 20 Grad bei einer Heizung, so dass auf Abweichungen reagiert werden kann.
Das „Tempo” als Sollwert funktioniert aus dieser Perspektive wohl kaum - man setzt den Gas- oder Bremsgriff ein, könnte das Resultat aber nur mit einem Blick auf den Tacho kontrollieren, was man aber auf jeden Fall vermeiden muß, wenn man schnell sein will (s.u.).
Es gibt beispielsweise Oldtimer-„Rennen” (die mich aber hier nicht interessieren), bei welchen ein bestimmte Rundenzeit gefahren werden muss (also nicht zu schnell und nicht zu langsam). Aber in unserem Fall geht es um möglichst schnell, weshalb ich (vorerst noch) glaube, dass die Rundenzeit als Sollwert nicht direkt in Frage kommt.
Es ist wohl so wie beim Fahren: wer auf die Rundenzeit achtet, ist nicht wirklich schnell.
Den Satz kann ich sofort unterschreiben. Das geht ja weiter (s.o.): wer auf den Tacho schaut, um z.B. auf ein bestimmtes Tempo vor einer Kurve herunter zu bremsen, ist garantiert nicht schnell.
Du differenzierst auf Deiner Seite zwischen „Können” und „Wissen” - das ist ein etwas anderer, aber sehr verwandter Blick auf meinen Körperwissen-Ansatz (dort gibt es Beispiele auch aus anderen Bereichen, dem Lesen von Notenschrift etwa). Wenn ich weiß, wie schnell ich eine Kurve durchfahren kann, könnte ich auf den Tacho schauen, während ich abbremse. Eben das tue ich aber nicht. Ich „weiß” nicht, wie weit ich mit dem Tempo herunter muß, ich „kann” das. Mein „Blick” für eine Situation findet unterhalb der Bewußtseinsschwelle statt, und den kann ich nicht „anlesen”, oder ihn „ablesen” - ich muß ihn „erfahren”. Es braucht Training, keine Lektüre.
Eine andere Beobachtung: wenn man damit beginnt, sich auf der Rennstrecke herumzutreiben, ist vermutlich für jeden „Infizierten” zunächst das ganz große Ziel, mit den Knien zu schleifen. Wenn man das erreicht hat, kann man schön damit angeben, hat aber in allererster Linie einen neuen Sensor(!) zur Verfügung. Man könnte sagen: der Sollwert beim Kurvenfahren ist, daß man die Knie auf den Asphalt bekommt. Das sagt man aber nur solange, wie das noch ein Ziel ist. Wenn man dieses Ziel erreicht hat, wendet man sich anderen Dingen zu.
Ich kann mir vorstellen, daß diese Verschiebung zwischen „Ziel” (das dem Lernenden zunächst als Sollwert erscheint) und „Mittel” (wo ein erlernter Aspekt plötzlich zu einem "Sensor” wird - einem Mittel, etwas zu „vermessen”) auch in anderen Bereichen statt findet, wo man etwas „können” muß.
Irgendwie lande ich schon wieder bei dem Begriff der „Motivation”.
(Rolf Todesco schlägt sich auch mit anderen Aspekten herum.)