Allo- und autopoietische Systeme

Ich bin gerade auf den Unterschied zwischen allo- und autopoietischen Systemen gestoßen (worden). Allopoiesis wird als ein System definiert, das sich selbst nicht reproduzieren kann – eine automatisierte Fabrik etwa, die Motorräder baut. Autopoiesis meint hingegen ein biologisches, psychisches oder soziales System, das sich rekursiv durch sein eigenes Operieren erhält. Eine Fabrik stellt Motorräder her, die nichts mit den Robotern zu tun haben, die sie am Fließband erbauen. Ein Organismus hingegen lebt, ein psychisches System nimmt wahr, und eine Gesellschaft kommuniziert – all dies sind in sich geschlossene, auf sich selbst verweisende Prozesse. Eine Fabrik kann sich nicht selber bauen (weil sie damit beschäftigt ist, Dinge herzustellen), während ein autopoietisches System rekursiv in sich geschlossen ist (weil es nur sich selber „sieht”), und in dessen Operieren die Fähigkeit zur Reproduktion fest eingebaut ist.

Ein Motorrad ist ein allopoietisches System – ein Werkzeug also, das Menschen konstruieren und (in Handarbeit oder in von ihnen geschaffenen Fabriken) bauen können. Das System aus Fahrer und Motorrad ist insofern bemerkenswert, weil es ein allopoietisches System mit einem autopoietischen kombiniert. Eine These wäre, daß hier nicht einfach zwei Systeme (locker) miteinander gekoppelt sind, sondern sich ein neues System herausbildet, das geschlossen operiert (das ist zunächst nur eine Vermutung – ich verweise auf meine Notizen zum Körperwissen). [1]

Dann wäre aber auch ein Computersystem allopoietisch. Der Umstand, daß man – via Sourcecode – mit ihm „spricht”, erwiese sich als Selbstbetrug. Die Rückkopplung erfolgt nicht durch Autopoiesis im System selbst, sondern durch die Anweisungen von außen, wie vermittelt in sich selber die dann auch wieder entstehen (entstehen, und nicht etwas sind). Über den Abstand zwischen Sourcecode und Hardware hatte ich schon geschrieben, und auch von jenen sozialen Vernetzungen, ohne die kein Computerprogramm zustande käme, war schon ausführlich die Rede. Das gilt aber letztlich auch für die Konstruktion eines Motorrads: keine Maschine ensteht ohne Konstruktionszeichnung, und keine Fahrzeugfabrik kommt ohne eine komplexe soziale Ordnung aus, in der sie betrieben wird.

Ich muß noch einmal meinen Blickwinkel nachjustieren.

  1. [1] Nachtrag: Das ist eine dieser Stellen, wo halbverdauter Luhmann-Talk in meine Argumentation einbricht. Systeme sind aus dieser Sicht etwas, was da ist. Eigentlich sollte ich mittlerweile gelernt haben, daß man den System-Begriff nur sinnvoll benutzen kann, um etwas zu erklären. – Das ist eine auf den ersten Blick redundante Unterscheidung, die es bei näherem Hinsehen aber in sich hat.