16.6.2009

Meta-Systemtheorie

In diesem Blog ist ja seit einigen Monaten viel von „Systemtheorie” die Rede, und es gibt eine stetig wachsende Zahl von Luhmann-Zitaten zu bestaunen. Ich fürchte, das Thema wird mich auch noch einige Zeit weiter beschäftigen. Deshalb muß ich mal einen kurzen Zwischenstopp einlegen, und zumindest zwei Punkte herausstellen, von denen ich vermute, daß sie zu Mißverständnissen führen könnten.

Zum einen bin ich kein Systemtheoretiker. Ich nähere mich momentan einem Thema, das mir seltsam fremd-vertraut vorkommt - fremd, weil ich um Luhmann bislang einen Bogen gemacht habe; vertraut, weil vieles in der Begrifflichkeit letztlich auf Software-Entwicklung zurückverweist. Gerade wegen dieser Vertrautheit stehe ich diesem Theorieansatz letztlich mißtrauisch gegenüber, weil ich den Verdacht habe, daß man mit ihm zwar ein Computerprogramm, nicht aber Gesellschaft erklären kann. Wenn das möglich wäre, so mein momentan noch etwas diffuser Verdacht, müßte es auch möglich sein, den umgekehrten Weg zu gehen und gesellschaftliche Prozesse im Computer zu simulieren. Nachdem die Forschung über „artifizielle Intelligenz” schon vor vielen Jahren grandios gescheitert ist, hege ich meine Zweifel, ob das bei der computergestützten Untersuchung ausgerechnet einer komplexen Veranstaltung wie Gesellschaft anders wäre.

Der zweite Punkt betrifft den Verdacht, daß ich mich hier in außerwissenschaftliche und esoterische Gefilde begebe. Tatsächlich klingen konstruktivistische Thesen zunächst bizarr und wissenschaftsfeindlich. Da wird behauptet, es gebe nur Phänomene, und alles was darüber hinausgeht sei lediglich eine Vermutung, die sich letztlich nicht beweisen lasse - eine Sicht der Dinge, wie man sie von den Cranks jederzeit öffentlich vorgeführt bekommt. Es gibt jedoch eine Linie in der philosophischen Tradition von den indischen Veden über Plato, Kant und Schopenhauer, die von den Konstruktivisten wieder aufgenommen wird [1] - ein phänomenologischer Ansatz hat nichts, aber auch gar nichts mit esoterischem Rumgemeine zu tun.

Grundsätzlich gilt im Übrigen, daß alle Texte, die ich zu dem Thema schreibe, sich in erster Linie an mich selber richten. Man kann einen theoretischen Ansatz m.E. nur dann beurteilen, wenn man sich ernsthaft darum bemüht, ihn zu verstehen, und die beste Methode, dies zu tun, ist die, mit ihm zu arbeiten. Das kann man gedanklich tun. Noch besser ist es, wenn man seine Gedanken aufschreibt. Richtig gut funktioniert das, wenn man das nicht nur für sich selber tut, sondern damit rechnet, daß das auch Andere lesen - dann muß man nämlich aufpassen, daß man nicht allzuviel Unsinn verzapft.

  1. [1] Der Hinweis auf die indischen Wurzeln mag den Verdacht wecken, daß man es hier doch nur mit unwissenschaftlicher Spinnerei zu tun hat - der stammt aber nicht von mir, sondern von Schopenhauer.

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