Harzring 2009 - 1.Wochenende

Obwohl ich schon seit längerem eher skeptisch bin, ob Instruktor-geführtes Fahren mich wirklich noch weiter bringt, habe ich auch dieses Jahr wieder ein Wochenende auf dem Harzring gebucht. Ich gebe zu, daß ich einige Male innerlich am Grummeln war, weil ich mich unterfordert fühlte. Am Freitagabend vor dem eigentlichen Training war ich für eine halbe Stunde beim „Freien Fahren” des Harzring-Betreibers auf der Strecke, und habe dabei sicherlich meine schnellsten Runden des gesamten Wochenendes hingelegt.

Trotzdem stimmt es natürlich, daß man nur dann lernen kann, wenn man deutlich unterhalb des persönlichen Limits unterwegs ist. Wenn man richtig am Kabel zieht, kann man nur exakt das abrufen, was man bereits kann. Wenn man aber nur vielleicht 80% seiner Möglichkeiten braucht, um an der Gruppe dran zubleiben, hat man genug „Headroom”, um sein eigenes Fahren zu beobachten und bewußt zu korrigieren. - Ich denke, daß z.B. meinem Hanging-Off die letzten beiden Tage ganz gut getan haben - da kriege ich endlich den Oberkörper in Richtung Vorderrad.

Es gibt aber noch zwei konkrete Punkte, die mir komplett neu sind, nämlich ein wirklich guter Trick für das harte Anbremsen, und ein völlig neues Motorrad.

Um bei letzterem anzufangen: die Zweirad-Akademie hat in Tom Dick einen neuen Instruktor gewonnen, der nicht nur über echte Rennpraxis verfügt (z.B. als mehrfacher Sieger bei den KTM Duke Battle), sondern auch eine Menge über Fahrwerke und deren Einstellung weiß. Ich war am Nachmittag des ersten Tages mit der ZX6 bei seinem Bus, und habe ihn nach seiner Meinung gefragt. Die Federung des Vorderrades fand Tom OK, hat über die des Hinterrads aber nur die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Die Vorspannung war komplett zugedreht, mit dem Effekt, daß das Hinterrad kaum einen Millimeter nachgegeben hat. - Als er das geändert hatte, war die Maschine regelrecht zum Leben erweckt.

Beim Herausbeschleunigen aus der Kurve drückt jetzt das Heck der Maschine nach unten und gibt über das „Popometer” klares Feedback, wie hart man gerade am Hahn zieht. Umgekehrt drückt jetzt nicht mehr nur das Vorderrad beim Anbremsen in die Federn, sondern die hintere Feder wird gleichzeitig weicher, was wiederum zusätzliches Feedback gibt (und nicht zuletzt die Tendenz des Hinterrads zum „Stempeln” mindert).

Bei der Aktion stellte sich allerdings auch noch heraus, daß die Druckstufe der hinteren Feder hinüber ist - da läßt sich nichts mehr einstellen, die Schraube gibt keine Klicks mehr, sondern läßt sich widerstandslos drehen, ohne daß dies einen Effekt hätte. Da werde ich wohl mal wieder die Tiefen meines Portemonnaies ausloten müssen.

Der zweite Punkt betrifft einen Tip meines Instruktors (Kay), wie man die Kontrolle beim harten Anbremsen deutlich verbessern kann: man haut ganz kurz vor dem eigentlichen Bremsvorgang massiv in die Bremse, läßt sofort wieder los, und greift erst dann richtig zu (daß man immer mit dem Vorderrad bremst, muß ich hier wohl nicht mehr erzählen). Das darf man nur für einen winzigen Moment tun, dafür aber mit allem Nachdruck. Dadurch wird die Maschine unvermittelt in die Federung gedrückt, wodurch sich die folgende Bremsung besser kontrollieren läßt. Normalerweise drückt man ja das Vorderrad gleichzeitig mit der Bremserei in die Gabel - das Moped verzögert, während es gleichzeitig in die Federung eintaucht. Indem man dies beides gewissermaßen entkoppelt, kann man sich im zweiten Schritt auf den eigentlichen Bremsvorgang konzentrieren.

Das ist insofern nicht ganz einfach umzusetzen, weil man die Übung nicht vorsichtig beginnen und allmählich steigern kann: man muß den ersten Griff in die Bremse schon sehr entschieden machen, um den Effekt zu spüren. Wenn man das aber zu lange macht, liegt man todsicher auf der Schnauze. Außerdem, wichtig: das dürfte auf normalem Straßenbelag entweder überhaupt nicht funktionieren, oder ohne Vorwarnung zu einem blockierenden Vorderrad und zum Crash führen.

Am Samstag nach dem Training bekam ich zufällig im Vorbeigehen mit, wie Axel einem der Kursteilnehmer etwas über die Probleme erzählte, über die man im Dasein als Instruktor stolpert. Er berichtete von einem Motorrad-Training, das eine große Firma exklusiv für ihre Mitarbeiter veranstaltete, und bei der er es mit Teilnehmern zu tun hatte, die sich quer durch alle firmeninternen Hierarchien verteilten. Als Trainer war es ihm nicht möglich, den Botenjungen vom Manager auf Vorstandsebene zu unterscheiden, mit der Folge, daß er bei der Beurteilung der fahrerischen Fähigkeiten nicht ohne weiteres vor der gesamten Gruppe ehrlich die Meinung sagen konnte. Da wäre dann der Botenjunge möglicherweise arg am feixen, wenn man den Manager als lausigen Fahrer entlarvt - mit unübersehbaren Rückkopplungen für die Situation in der Gruppe, während des Trainings, und möglicherweise darüber hinaus.

Ich vermute, daß man anhand der „sozialen Systeme”, die sich bei solchen Fahrtrainings wie zufällig ergeben, ausgesprochen gute Beispiele findet, um Luhmanns Kommunikationsbegriff zu überprüfen (und ggf. auf den Kopf zu stellen). Das wäre dann der dritte Punkt, der das Wochenende richtig lohnend gemacht hat (ich werde das Thema ín den nächsten Tagen noch aufgreifen).