Eintrag #600

Das ist der 600te Eintrag in diesem Blog, und ich nehme das zum Anlaß, ein wenig Meta-Blogging zu betreiben und ein paar Anmerkungen zu dem Text-Konvolut zu machen, das hier in den vergangenen 16 Monaten entstanden ist.

Scheinbar geht das hier ja munter durch eine Reihe höchst unterschiedlicher Themenbereiche, und ich bin ziemlich sicher, daß es zu Irritationen kommt, wenn man sich hier zum ersten Mal umsieht. Da wird über Motorradrennen erzählt, im nächsten Eintrag geht es plötzlich um philosophische Abstraktionen, dann gibt es eine Film- oder Buchbesprechung, gefolgt von theoretischen Überlegungen über das Wesen der Musik. So chaotisch das auch auf den ersten Blick aussieht - hinter dem Projekt verbirgt sich durchaus ein Plan. Dieser Plan ist nicht fix oder auf ein bestimmtes Ziel hin konzipiert, sondern ich stelle hier ein Experiment an, von dem ich letztlich selber nicht weiß, was dabei herauskommt.

Alle Themenbereiche, die hier eine Rolle spielen, sind zunächst sehr konkret miteinander verbunden, nämlich durch meine Person. Um es genauer zu fassen: durch meine Person in ihren öffentlichen Funktionen. Es geht nicht um meinen privaten Bereich - ich führe also kein Tagebuch und berichte über meine Befindlichkeit, oder meine Probleme in den von mir gepflegten Beziehungen und Freundschaften, etc. Es geht um all das, was mich in der Öffentlichkeit sichtbar werden läßt.

Dabei bin ich überzeugt, daß in meinem Motorrad-Hobby eine Menge Dinge versteckt sind, die man für ganz andere Diskurse fruchtbar machen kann - mein Interesse an Prozessen des Lernens kann sich hier ganz praktisch austoben, weil ich, als Führerschein-Neuling (naja, mittlerweile liegt das auch schon wieder zweieinhalb Jahre zurück), beobachten kann, wie ich selber lerne. Die zahlreichen Analogien zum Erlernen eines Musikinstruments geben den Anstoß, da mal ein wenig genauer hinzusehen - und das führt dann zum Körperwissen-Baukasten.

Ähnliches gilt für meine anderen Interessen. Einer meiner ersten Texte im Blog etwa führt von einer Filmbeschreibung zu einer poetischen Formulierung einer Idee dessen, was im Zentrum von Wagners Tristan stehen könnte (was übrigens einer meiner Lieblingstexte ist, allein weil er vorführt, wie diese Kette aus Denken-Schreiben-Denken sich rekursiv fortentwickelt).

Dummerweise kam die Finanzkrise dazwischen - eigentlich hatte ich nicht vor, über politische Fragen zu schreiben, aber so, wie die Dinge momentan stehen, kann ich mich da nicht völlig herumdrücken. Aus diesem Themenbereich stammt der eine oder andere Text, über den ich nicht sonderlich glücklich bin, weil er Meinungen oder Zusammenhangsbeschreibungen Dritter nur paraphrasiert, ohne daß es zumindest möglich wäre, daß ein origineller neuer Aspekt einfließt. Ich habe zwar irgendwann Vorlesungen über politische Ökonomie gehört und auch das eine oder andere Buch zum Thema gelesen - wirklich kreativ und eigenständig denken kann ich auf dem Gebiet aber nicht. Ein gutes Beispiel für einen mißlungenen Text ist das Copy&Paste zum Quartalsgewinn der Deutschen Bank - daß ich da einfach bloß wütend war, mag das vielleicht relativieren.

Auf der anderen Seite bin ich durchaus stolz auf das, was in den Musik-Essays entstanden ist - wobei mich einige Ergebnisse selber überrascht haben. Bestimmte Dinge (und das ist für mich durchaus eine neue Einsicht) muß man aufschreiben, damit man sie wirklich klar im Kopf hat und bis auf ihre letzten Konsequenzen zuende spielen kann. Ein gutes Beispiel sind die Überlegungen über Rhythmik; auch im Form-Essay stecken eine Reihe von neuen Thesen, die ich für diskussionswürdig halte.

Das führt zur Frage, wie es um die ganzen Baukästen steht. Keiner der Texte aus seinem Umfeld ist bislang in einem Stadium, wo ich ich ihn aus seinem „Zettelkasten”-Status entlassen könnte, weil etwa nur noch an den sprachlichen Übergängen zu feilen wäre. Dabei sind einige von Ihnen recht dicht vor diesem Punkt angekommen - den beiden schon erwähnten Musik-Essays fehlen nur noch wenige Aspekte, und auch im Text über Improvisation braucht es nur noch einige Anmerkungen zu rhythmischen Konzepten. - Andere Texte haben letztlich erst gewissermaßen das Vorwort, und erforderten erhebliche Arbeit, damit daraus ein rundes Textganzes werden kann (z.B. der Ansatz über die Musikgeschichte nach dem Tod Wagners).

Das sind jetzt nur die Texte über Musik. Die spielen insofern eine gewisse Sonderrolle, weil ich der Meinung bin, daß es sich früher oder später lohnen könnte, aus ihnen ein Buch zu machen. Die anderen Sachen führen insofern ein gewisses Schattenleben, weil ich zumindest für einige Problemfelder noch halbe Bibliotheken lesen müßte, bevor ich ernsthaft den Anspruch anmelden könnte, daß sie eine Relevanz außerhalb dieses Blogs hätten.

Aber das ist jetzt schon viel zu lang geworden - ich verspreche, das nächste Meta-Blogging entweder auf den zweiten Blog-Geburtstag oder den 1000ten Eintrag zu verschieben.

(Morgen gehts mit der ZX6 zum Spreewaldring - einen Bericht gibt es frühestens Montag.)