21.4.2009

Systemtheorie (1)

Im ersten Schub wird die traditionelle Differenz von Ganzem und Teil durch die Differenz von System und Umwelt ersetzt. Mit diesem Umbau [...] hat man die Theorie des Organismus, die Thermodynamik und die Evolutionstheorie zueinander in Beziehung setzen können.

(Luhmann, Soziale Systeme, Ff./M. 1987, S.22)

Tatsächlich ist „Gesellschaft” schwerlich begrifflich zu fassen, wenn man sie einfach als Versammlung von Individuen betrachtet, die in Akten freien Willens ihre Beziehung untereinander regeln. Das ist auch nicht ernsthaft ein Modell, das etwa im dialektischen Denken gepflegt würde. Trotzdem hat die Dialektik von Hegel bis Adorno nie etwas anderes getan, als das Zusammenwirken von Mensch und Gesellschaft zu beschreiben als eine Bewegung hin auf ein Ziel. Selbst die Versuche Adornos, zumindest die Methode von Hegel und Marx zu retten, enden immer wieder in teleologischen Modellen, selbst wenn diese ins Negative gewendet erscheinen. Geschichte hat jedoch – entgegen allem anders lautenden Bemühen – kein Ziel. Dennoch verstößt sie ständig gegen die Gesetze der Thermodynamik, und verfällt eben dennoch nicht im Chaos.

Ein Zentralproblem des Schemas von Ganzem und Teil kann jetzt besser gelöst werden. Immer schon hatte man gefordert, daß Teile im Verhältnis zum Ganzen homogen sein müßten. Daß mußte dann heißen, daß Zimmer, aber nicht Bausteine, Teile des Hauses sind, und Kapitel, aber nicht Buchstaben, Teile des Buchs. Andererseits galten individuelle Menschen als Teil der Gesellschaften.

(a.a.O., S.23)

Auch an diesem Punkt würde im Lager der Kritischen Theorie niemand widersprechen – Menschen stehen Gesellschaft völlig fremd gegenüber. Es sind nur scheinbar Individuen, die Herrschaft ausüben und einer Gesellschaft ihren Willen aufzwingen – in Wirklichkeit sind es Herrschaftsverhältnisse, die selbst jene zu Marionetten werden lassen, die sie scheinbar in Gang erhalten. Insofern wäre der Gedanke, den „individuellen Menschen” als grundlegende Einheit zu betrachten, aus denen sich ein gesellschaftliches Ganzes zusammensetzt, selbst aus strikt marxistischer Perspektive (was immer die im Detail sein mag) nur Unsinn.

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