12.4.2009

Improvisation in der Musik (15)

(Themenanfang)

Was ich bisher zur Improvisation über „Changes” gesagt habe, ist in keiner Weise vollständig. Mir ging es nicht darum, so etwas wie ein Lehrbuch zu dem Thema zu beginnen, sondern ich wollte lediglich einige grundsätzliche Dinge beschreiben, aus denen ersichtlich wird, daß Improvisationen über komplexe Akkordverbindungen durchaus möglich sind. Es gibt Konzepte, die es erlauben, aus dem Stand heraus höchst komplexe Musik zu erfinden - wie sie im einzelnen aussehen, war nur am Rande das Thema.

Dabei sind sie nicht von mir, sondern aus verschiedenen Ecken zusammengetragen. Das sind einige wenige Lehrbücher, Anregungen aus meinem Unterricht an der Uni, vor allem aber der langjährige Versuch, das Spiel der bewunderten Vorbilder darauf abzuklopfen, wie es wohl gemacht ist, in einem Wechselspiel zwischen dem Hören fremder Musik und Experimentieren am eigenen Instrument.

Meine Darstellung entspricht keiner Lehrbuchmeinung und einige Ausführungen dürften auch zu Widerspruch herausfordern. Außerdem habe ich einige Aspekte bewußt überpointiert, um klar zu machen, worauf ich hinaus will. Meine Abneigung gegen Skalen beispielsweise findet durchaus ein Ende, wenn es um alterierte Skalen wie „Halbton-Ganzton” geht, die durchaus eine eigene Farbe mit sich bringen und in der (guten) Praxis häufig auftauchen.

Die entscheidende Beobachtung - jenseits aller konkreten Beispiele - scheint mir, daß man das Material in irgend einer Weise systematisch ordnen muß, um es in den Griff zu bekommen. Wenn man eine Sequenz nur in einer bestimmten Tonart kann, oder nur über eine begrenzte Auswahl an Sequenzen verfügt, spielt man letztlich wieder nur Patterns - wobei die vorgestellten Sequenzen, für sich genommen, sogar eher langweilig sind. Erst wenn man über einen gewissen Umfang an Material verfügt, kann man das so zusammensetzen, daß man sich nur noch selten wiederholt.

Ein zweiter abschließender Punkt ist, daß man das Material solange üben muß, bis es ins Unterbewußte wandert. Bewußtes Abrufen von bestimmten Mustern führt letztlich wieder dazu, daß man festgelegte Patterns abfeuert, und nicht mehr spontan auf den Kontext reagiert, der im Zusammenspiel mit den anderen Bandmitgliedern entsteht. Tatsächlich ist es mir regelmäßig passiert, daß ich bestimmte Sachen über Monate immer wieder geübt hatte, bevor sie endlich in einem Konzert oder bei einer Probe in den Fingern auftauchten. Manchmal habe ich Übungen einige Zeit beiseite legen müssen, um ihnen eine Chance zu geben, „in den Bauch zu wandern” - erst dann haben sie das Zeug, zum Bestandteil einer Improvisation im engeren Sinne zu werden.

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