6.4.2009

Improvisation in der Musik (11) - Superstructures

(Themenanfang)

Ich hatte gerade behauptet, daß, wenn man sich durch eine Akkordverkettung hangelt, man sich auf ein und derselben Spannngsebene bewegen und nicht unvermittelt z.B. von einer spannungslosen Quinte in eine „Upper Tension” springen sollte. Man kann das in einen systematischen Zusammenhang bringen, der sich recht gut praktisch nutzen läßt.

Superstructures - Em über C

In Akkorden lassen sich andere Akkorde finden.

Nebenan steht ein C-Dur mit großer Septe. Wenn man diesen Akkord von der Terz aus liest, sieht man einen E-Moll-Akkord. Damit liegt es nahe, daß man über Cmaj7 eine E-Moll-Pentatonik spielen kann. Wenn man dies tut, vermeidet man „automatisch” den Grundton (das C), und damit den spannungslosesten Ton von allen.

Superstructures - Bm über C

Es folgt nochmals C-Dur, diesmal um alle sieben Terzen erweitertet (bevor sich mit der achten Terz der Grundton wiederholt). Die „11” ist hier die lydische „#11” (das „F” sollte man vermeiden, weil es im Intervall einer kleinen None zum „E” der Terz steht, was zum weglaufen klingt). „Ganz oben” findet sich jetzt ein H-Moll-Akkord, über den man natürlich die H-Moll-Pentatonik spielen kann.

Superstructures - F# über A7

Das nächste Beispiel ist ein (leicht) alterierter A7-Akkord, über dem sich ein F#-Dur Akkord findet. Hier wäre eine F#-Dur-Pentatonik sicher nicht am Platz, weil sie mit dem „G#” den einzigen Ton enthält, den man über einem Dominant-Akkord auf gar keinen Fall (in betonter Form) bringen sollte - die große Septe. Wenn man hier jedoch Figuren spielt, die lediglich aus Brechungen des reinen F#-Dur-Dreiklangs bestehen, bekommt man eine derart interessante Farbe, daß es plötzlich Sinn zu machen scheint, Brechungen von Dur-Dreiklänge zu üben.

Superstructures - VI-II-V-I

Man kann Akkordfolgen auf solche „Akkorde in Akkorden” - sog. Superstructures - abklappern, und dort ganz neue Folgen finden, über die man dann seine Improvisation spinnen kann. Der Vorteil liegt dabei darin, daß man ein in sich konsistentes Spannungsgefüge schaffen kann, ohne sich ständig bewußt sein zu müssen, wo die Tensions nun genau liegen. Man spielt auf einmal wieder über letztlich sehr einfaches Material, nämlich Drei- oder Vierklänge, obwohl man in erheblicher Spannung über die Changes unterwegs ist.

Wohlbemerkt - ich sage nicht, daß man sich über die Lage der Tensions nicht bewußt sein muß. Bei schnellen Läufen ist aber die Forderung illusorisch, man müsse jeden Ton einzeln planen - da geht es darum, vorab geübtes Material abzuspulen. Wenn man dies tun will, ohne sich ständig in Patterns zu wiederholen, geht es aber nicht ohne solche Simplifizierungen und Automatismen.

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