22.3.2009

Siebzehn (2)

In meiner Gegenüberstellung der Situation heutiger Siebzehnjähriger mit jener vor dreißig Jahren habe ich einen - wichtigen - Aspekt vergessen: ein Phänomen wie die Massenarbeitslosigkeit war meiner Generation damals völlig unbekannt, und zwar auch für die unserer Eltern. (Einzig die Großeltern konnten von den 20er und 30er Jahren berichten, was für uns aber lediglich von geschichtlichem Interesse war.) Die Wirtschaft klagte im Gegenteil sogar über einen Mangel an Arbeitskräften, und gerade im Bereich der hochqualifizierten Jobs hatte man jede Auswahl. Nicht nur für die Abiturienten gab es zahlreiche Alternativen für einen planbaren Lebensweg: auch ein Hauptschüler hatte alle Chancen auf eine vernünftige Lehrstelle und fast schon eine Garantie auf einen Job im erlernten Beruf. Selbst ein ungelernter Arbeiter konnte in der Landwirtschaft oder auf dem Bau jederzeit Geld verdienen. Das war ohne Frage schlecht bezahlte Knochenarbeit - trotzdem ließ sich mit ihr eine Familie gründen und (zumindest in den abgelegeneren ländlichen Regionen) ein Haus bauen.

Es ist symptomatisch, daß ich diesen zentralen Punkt zunächst vergessen hatte - mittlerweile ist die Sorge um die (berufliche) Zukunft derart alltäglich, daß mir fast entfallen ist, daß dies nicht schon immer so war. Sicherlich gab es vor dreißig Jahren Zukunftsangst, sogar solche, die ganz elementar war und die Zeit maßgeblich geprägt hat. Ich rede zum einen von der Angst vor einem drohenden Atomkrieg, und zum anderen jener vor den Konsequenzen eines Wirtschaftens, das sich nicht um die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen scherte. Beide Themen spielten in den 80ern eine ganz zentrale Rolle, und waren konstituierend für die grüne Bewegung - und damit am Ende für die gesamte politische Landschaft, wie wir sie heute kennen.

Was fehlte, war jedoch diese heutzutage allgegenwärtige Ungewißheit um die berufliche Zukunft. Selbst jemand aus dem gehobenen Mittelstand sieht sich mit der Möglichkeit konfrontiert, daß der Verlust des Arbeitsplatzes ihn rasch ins gesellschaftliche Aus führen kann. Wer in kürzester Zeit keine neue Arbeit findet, steht unvermittelt vor einem schwindelnden Abgrund. Dies gilt für die Jugendlichen umso mehr: keiner kann sich sicher sein, ob er irgendwann wenigstens befristet einen Job findet, von dem aus er seine Zukunft realistisch planen kann. Das gilt keineswegs nur für die Hauptschüler, die auf dem Lehrstellenmarkt schon seit langem mit Realschülern oder gar Abiturienten konkurrieren. Auch für Schüler mit einem guten Abitur, die eine akademische Ausbildung anstreben, trifft dies zu - man muß nicht großartig suchen, um über jene Fälle zu stolpern, wo ein avanciertes Studium mit Auslandsaufenthalt und besten Zensuren dazu führte, daß man sich von einem Praktikum zu nächsten hangelt.

Mit dieser Ungewißheit hatten wir damals nichts zu tun - wir mußten nur unter einem großen Angebot an Möglichkeiten auswählen. Dabei haben viele die falsche Wahl getroffen, und sind - aus höchst unterschiedlichen Gründen - nicht glücklich mit ihrer Laufbahn geworden. Trotzdem war damals die einzige Einschränkung der Numerus Clausus bei der Zulassung zu einigen wenigen Studiengängen - und schon darüber hat sich mancher maßlos aufgeregt.

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