22.3.2009

Die Tränen der Angela Merkel

Als ich heute morgen beim Bäcker Brötchen holen wollte, sprang mir der Aufmacher der Bild-Zeitung entgegen: unsere Bundeskanzlerin mit Tränen in den Augen bei der Trauerfeier für die Toten von Winnenden. In mir stieg kurzfristig eine derartige Wut hoch, daß ich fast auf der Stelle umgekehrt wäre, weil ich Angst hatte, daß ich mich nicht beherrschen und womöglich die Verkäuferin anschreien könnte, warum man seinen Kunden solch einen Dreck zumutet. Es ist derart grotesk und widerlich, daß unsere Spitzenpolitiker bei solch einer Situation die Gelegenheit bekommen, den Wählern ihre menschliche Seite vorzuführen, daß mir die Worte ausgehen, um meine Empörung zu beschreiben.

Einen Moment später wurde mir dann klar, daß Merkel & Co natürlich gar nicht anders konnten, als an der Veranstaltung teilzunehmen. Täten sie es nicht, träfe sie der Vorwurf, dem einfachen Mann von der Straße derart entrückt zu sein, daß sie sich nicht einmal angesichts solch einer Katastrophe in seine Nähe begeben. Was bliebe, wäre die Schelte der Medien, die nur allzu gerne mit dem Zoomobjektiv draufhalten, wenn große Gefühle in den Gesichtern kenntlich werden - aber auch das wäre letztlich ein billiger Vorwurf, der außer acht ließe, daß die Bild-Zeitung beim Bäcker ja tatsächlich Abnehmer fand. Die Leute wollen so etwas sehen, zumindest ein Anteil, der groß genug ist, um Springer dazu zu bewegen, solche Titelstorys wieder und wieder zu bringen. Dabei ist das sogar noch verständlich: es gibt eine merkwürdige Mischung aus Neugierde und Anteilnahme, gewürzt mit einer Prise Lust am Untergang, die letztlich alle Menschen an den Tag legen, unabhängig von ihrer Bildung.

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