12.3.2009

Gran Torino

Filmplakat Gran Torino

Regie: Clint Eastwood
Buch: Nich Schank, Dave Johannson
Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Ahney Her
Musik: Kyle Eastwood, Michal Stevens


Clint Eastwood ist Walt Kowalski, ein in die Jahre gekommener Veteran des Koreakrieges, der gerade seine Frau verloren hat. Seinen Söhnen entfremdet, lebt er als verquerer Einzelgänger in seinem Haus in einer Gegend, in der er unter zahlreichen Asiaten mittlerweile der einzige Weiße ist. Dabei ist er ein Rassist, wie er im Buche steht, der seine Nachbarn mit allen Mitteln auf größtmögliche Distanz halten will. Als er sich mit gezogenem Revolver in einen Streit einmischt, bei dem eine asiatische Gang versucht, den jungen Sohn seiner Nachbarn - Thao - mit Gewalt zu rekrutieren, will er letztlich nur durchsetzen, daß man seinen Vorgarten nicht betritt - trotzdem wird er unversehens zum Helden des Viertels. Sehr rasch muß er sehen, daß ihn mit diesen Menschen aus einer völlig anderen Kultur letztlich mehr verbindet, als mit dem Katholizismus seiner verstorbenen Frau - bald wird er Thao zum väterlichen Freund.

Sinnbild für die geistige Verfaßtheit Kowalskis ist sein Auto, ein 72er Ford Grand Torino, den er am Fließband einst mitgebaut hat. Das ist eines von diesen gigantischen amerikanischen Schiffen, in die trotzdem auf die Rücksitze maximal zwei Kinder passen, mit Weißwandreifen und Flügelheck. Man kann auf Anhieb verstehen, warum jemand, den diese Zeit geformt hat - und zwar inklusive des Traumas, im Krieg zum Mörder zu werden - nicht ohne weiteres weitergehen kann, sondern in einer Zeit verharrt, in der der „amerikanische Traum” weit mehr bedeutete als das, was heute nur noch in Sonntagspredigten formuliert wird.

Irgendwie kann ich sogar nachvollziehen, daß er seine Identität mit einem Rassismus zu bewahren versucht, der letztlich nur auf der Oberfläche eine Rolle spielt. Wenn er seinen italienisch-stämmigen Friseur als Spaghettifresser u.ä. beschimpft - was mit noch herberen Sprüchen über die eigene polnische Herkunft beantwortet wird - verbirgt sich dahinter letztlich ein Selbstverständnis, nach dem ein „Mann” nur der ist, der die Dinge beim Namen nennt. Ebenso wird das Gefluche über die „Schlitzaugen”, vor denen man seinen Hund in Sicherheit bringen müsse, rasch zu einer polternd-verbalen Geste, hinter der sich die Einsicht verbirgt, mit diesen aus ihrer fernöstlichen Welt vertriebenen Menschen mehr gemeinsam zu haben als mit den eigenen spießigen Söhnen, die in ihrem Beruf als Verkäufer ihre Kunden übers Ohr hauen, und das so verdiente Geld in japanische (sic!) Autos stecken.

Ich war, unmittelbar nachdem ich den Film gesehen hatte, reichlich skeptisch: da finden sich doch eine Reihe merkwürdig offenkundiger Fehler in der Logik der Handlung. Wie kann es sein, daß Kowalski eines Tages so plötzlich feststellt, daß er von lauter Asiaten umstellt ist? Wie erklären sich seine zahlreichen Drehungen um 180 Grad in der Wahrnehmung anderer Menschen - er ist schließlich ein alter Mann, den eigentlich so rasch nichts von der eingeübten Haltung abbringen sollte? Viele Szenen, in denen Kowalski seine Ruppigkeit vorführt, grenzen fast schon an Klamauk, und kratzen erst in allerletzter Sekunde noch die Kurve. Das Finale schließlich ist an Kitsch kaum zu überbieten - ich spare mir hier, das genauer auszuführen.

Langsam aber - während ich dies schreibe - wird mir klar, daß der Film auf einer ganz anderen Ebene funktioniert - und zwar perfekt funktioniert, auf einer in sich völlig geschlossene Art und Weise. Man hat es nämlich letztlich mit einer Oper zu tun. Wenn man sich auf diese Sicht einläßt, dann ergibt jede erzählerische Ebene, jede einzelne Szene, und jede dramatische Wendung einen Sinn. Wie in einer Oper ist es letztlich belanglos, ob und in welcher Weise ein wörtlicher Bezug zur Wirklichkeit besteht. Man hat es nicht mit einer Spiegelung der Wirklichkeit, sondern mit ihrer Überhöhung und Verdichtung zu tun. Aus einer solchen Wahrnehmung ist es dann plötzlich belanglos, wenn ein tödlich Verwunderter noch eine lange Arie singt, bevor er zusammenbricht (in einer Verdi-Oper), oder ob ein Ausgangsszenario erfunden wird, daß zur psychologischen Verfassung der Hauptfigur überhaupt nicht passen will (bei Eastwood). In beiden Fällen ist es unwichtig, ob man so etwas in der Realität wiederfindet. Entscheidend ist, ob eine eigene, in sich stimmige dramaturgische Gestalt ensteht, die sich selber trägt - und das ist bei „Gran Torino” definitiv der Fall.

Ausnahmsweise fand ich es vertretbar, die deutsch synchronisiert Fassung zu sehen - im amerikanischen Original hätte ich mit Sicherheit nicht die Hälfte all der umgangssprachlichen Flüche und Sottisen verstanden. Ich bin mir allerdings ebenso sicher, daß in der deutschen Übersetzung einige Gags verloren gehen - vom Sound der Akzente und Slangs ganz zu schweigen. - Das ist ganz klar ein „Must Have” auf DVD.

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