2.3.2009

Als das Meer verschwand

Regie: Brad McGann
Buch: Brad McGann (nach einem Roman von Maurice Gee)
Darsteller: Matthew Macfadyen, Emily Barclay, Colin Moy
Musik: Simon Boswell (mit Songs u.a. von Patti Smith)


Als der Vater stirbt, kehrt Paul in sein Heimatdorf zurück, um sein Erbe anzutreten. Siebzehn Jahre sind vergangen, seit er jeden Kontakt zum Elternhaus abgebrochen hatte, und es wird schnell klar, daß die alten Konflikte, die einst dazu führten, durch den Tod des Vaters kaum gemildert werden - sein Bruder empfängt ihn kalt und distanziert, und auch seiner Jugendliebe ist sichtlich unwohl, ihn nach all den Jahren erneut zu treffen. Dann kommt es zu Begegnungen, die Paul dazu veranlassen, länger am Ort seiner Kindheit zu bleiben, als dies ursprünglich geplant war. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit entwickelt sich schleichend und mit geradezu schmerzhaft gesteigerter Spannung eine Katastrophe, von der man anfangs nicht einmal eine Ahnung hatte.

Ich beschränke mich in der Erzählung der Handlung sehr bewußt, und ich würde auch davon abraten, z.B. die Liner-Notes auf der DVD zu lesen, bevor man den Film gesehen hat. Alle überraschenden Wendungen sind gerade anfangs z.T. so subtil, daß man sie unvorbereitet erleben muß, um den Spannungsbogen komplett nachzuvollziehen. Je weiter der Film fortschreitet, desto härter und kontrastreicher werden sie nämlich, und der Schluß ist - in einer letzten Steigerung einer zu Beginn ganz harmlosen Situation - dann komplett verstörend. Hier geht es nicht um vordergründige „Action”, sondern um eine Geschichte der Beziehung zwischen Menschen, die gerade dadurch, daß sie ganz dicht bei dem bleibt, was möglich und plausibel klingt, umso schockierender wirkt.

Der Film wird auf zwei verschiedenen zeitlichen Ebenen erzählt, die zudem nicht einmal chronologisch geordnet sind; hinzu kommen noch Sequenzen, die sich als Traum herausstellen. Man kennt dieses Verfahren spätestens seit Tarrantino's »Pulp Fiction« und den Filmen von A.G.Iñárritu (»Amores Perros«, »21 Gram«). Hier ist das aber noch einmal gesteigert, weil man auch ganz zum Schluß nicht vorhersehen kann, nach welchen Regeln die Versatzstücke angeordnet werden - es gibt an keiner Stelle ein erkennbares Muster, obwohl eine unwiderstehliche Logik zu wirken scheint.

Die Schauspieler sind bis in die Nebenrollen hinein exzellent, obwohl - oder gerade weil - keine großen Namen dahinter stehen. Gerade die Darstellerin der sechzehnjährigen Celia (Emily Barclay) hat es mir angetan: hier kommt ohne großes Getöse die verfahrene Emotionalität eines pubertierenden Mädchens herüber, wie ich das so noch nicht gesehen habe.

Das Original heißt „In My Father's Den”, was auch sehr viel präziser benennt, welches Zentrum der Film hat - aber „Die Bude meines Vaters” klingt, in deutscher Übersetzung, zugegebenermaßen etwas eigenartig.

Überhaupt, „deutsch”: ich hatte den Schluß nicht auf Anhieb verstanden, und ihn ein zweites Mal in der synchronisierten Fassung gesehen. Mir ist jetzt wieder klar, warum ich kaum noch ins Kino gehe: die Dialoge klingen einfach schrecklich, wenn sie nachträglich in den Soundtrack operiert werden. Das hat nur teilweise mit dem Klang von Englisch vs. Deutsch, sondern ganz überwiegend mit der Aufnahmetechnik zu tun. Eine Tonspur, die ausschließlich auf nachträglich aufgenommenem Material beruht, muß einfach anders - nämlich wenig integriert - klingen als eine, die zumindest teilweise auf den am Set aufgenommenen Stimmen basiert.

Ganz davon abgesehen besteht eine wichtige Leistung eines jeden Schauspielers in der Art und Weise, wie er spricht - und die wird durch eine Synchronisation gewissermaßen enteignet. Im extremen Fall geschieht es gelegentlich, daß dadurch sogar das Aussehen eines Schauspielers beschädigt wird: z.B. ist eine Scarlett Johansson mit ihrer Whiskeystimme weitaus schöner - weil farbiger - als jene Gestalt, die hier im Kino mit deutscher Stimme spricht.

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