OpenDoc, PowerPC, NeXT, Cocoa - Apple und kein Ende

OpenDoc-Shirt

Rechts sieht man mein oft getragenes, mittlerweile recht genau fünfzehn Jahre altes Nachthemd - ein übergroßes T-Shirt mit einem reichlich verwaschenen Schriftzug, den man gerade noch entziffern kann: OpenDoc. Ich habe dieses T-Shirt einst als „Belohnung” dafür „geschenkt” bekommen, daß mein Mitteilnehmer und ich bei einem Apple-Workshop im deutschen Hauptquartier bei München eine Mini-OpenDoc-Applikation geschrieben haben hat. Steinberg hatte uns dorthin geschickt, weil Apple - einmal mehr - mit großem Getöse verkündet hatte, daß man die Computerwelt gründlich zu revolutionieren gedenke. »Word« oder »Photoshop« waren damals schon reichlich unübersichtliche Monsterapplikationen, und zwar sowohl für die User wie die Entwickler. Dem wollte Apple mit einem Konzept Konkurrenz machen, bei dem eine Vielzahl kleiner und spezialisierter Applikations-„Module” gemeinsam an einem einzigen, kollektiv erschaffenem Dokument beteiligt wären - eines für den Text, ein anderes für Grafik, für Musik, usf.

Die Grundidee klang zunächst durchaus bestechend - und sie wird heute letztlich in den Modulen eines Internet-Browsers sogar realisiert (wenn auch nur für die Darstellung, nicht für das Editing). Da sich Mitte der 90er aus ihr aber kein plausibles Geschäftsmodell entwickeln ließ[1], und sie auch technisch Fragen aufwarf, die letztlich keiner beantworten konnte[2], starb die ganze Veranstaltung eines zähen und kostenintensiven Todes.

Dabei ist dies nur eine von zahlreichen Episoden in der Historie von Apple, in der man ohne Rücksicht auf Backward-Kompatibilität neue Technologien durchdrückte, die mehr von Firmenpolitik denn technischer Notwendigkeit geprägt waren. Gut: es gab da einige Entscheidungen, über die man schwer meckern kann, obwohl sie letztlich eine einzige Zumutung - wieder sowohl für User wie Entwickler - waren. Ganz prominent ist hier die Umstellung der Prozessor-Architektur bei der Einführung des PowerPC, der die Community über Jahre hinweg beschäftigt hat. Spätestens der Wechsel auf das NeXT-Betriebssystem (heute besser bekannt unter dem Namen „OS-X”) hat dann aber einige der hartnäckigsten Fans des Macintosh nach langen Jahren treuen Dienstes in die Arme der Konkurrenz getrieben - mich selber, um nur einen zu nennen.

Damit wäre diese Geschichte eigentlich auch schon zuende, wäre Steinberg nicht durch die besonderen Umstände auf dem MI-Markt mit seinem (im Verhältnis zum ganzen Rest) hohen Anteil an Mac-Usern an Apple gebunden: wir müssen Cubase auf zwei Plattformen lauffähig halten (Mac und PC), und wo wir von Microsoft gelegentlich sogar gefragt werden, wie man Musiksoftware besser im Betriebssystem unterstützen könnte (nicht, daß man dort jemals auf uns gehört hätte), macht Apple weiter auf seiner Linie, bestehende Technologien zu kippen, wenn es in den Kram paßt. Letztes Beispiel ist der auslaufende Support für das Carbon-SDK - wer 64-Bit-kompatible Software für den Mac anbieten will, ist gezwungen, auf Cocoa umzusteigen.

  1. [1] Wie soll man kleine, damit billige Module verkaufen, die zudem noch ohne jeden Kopierschutz dastehen?
  2. [2] Wie funktioniert das Update für ein Dokument, an dem zahlreiche Applikationen beteiligt sind? Wie erreicht man Auf- und Abwärtskompatibilität der Dokumente? Was geschieht, wenn ein Dokument auf einem System geladen wird, auf dem nur ein Teil der Komponenten vorhanden sind? - Etc.pp.

[Ich muß mich - einmal mehr - vertagen.]