16.2.2009

T.C.Boyle - Die Frauen

Der neue Roman von T.C.Boyle beschreibt einige (geschichtlich verbürgte) Episoden aus dem Leben des wohl bedeutendsten Architekten Amerikas, Frank Lloyd Wright. Wie schon der Titel nahelegt, geht es weniger um ihn selbst, als um die zentralen Frauengestalten, die ihn bei seinem Schaffen begleitet haben. Es treten auf: Ehefrau eins bis drei, sowie eine Geliebte, mit der er einige Jahre zusammen lebte. Dabei erzählt das Buch immer von jenen Zeiten, in denen eine neue Liebe entstand, ohne daß die vorherige bereits beendet war. Die Übergänge waren jeweils hochdramatisch: die ersten beiden Ehefrauen haben erst nach jahrelangen Querelen in eine Scheidung eingewilligt, und die Geliebte wurde - zusammen mit ihren beiden Kindern und vier weiteren Menschen - ermordet.

Die Geschichten spielen sich ab vor dem Hintergrund der amerikanischen Gesellschaft zwischen den Kriegen, die in ihrer bigotten Prüderie in aller Glorie umso sichtbarer wird, als Frank Lloyd Wright eine bekannte Persönlichkeit war und im Zentrum des öffentlichen Interesses stand: man kann hier miterleben, wie die moderne Yellow-Press ihre ersten Gehversuche unternahm. Dabei versuchte Wright immer wieder, den unvermeidbar aufkommenden Klatsch irgendwie durch Heimlichtuerei zu verbergen, obwohl seinen Frauen der Skandal gelegentlich völlig egal war, ja sogar von ihnen als Chance begriffen wurde, Themen der Gleichberechtigung und Frauenbefreiung in die Öffentlichkeit zu tragen.

In formaler Hinsicht ist der Roman in mehrfacher Hinsicht gebrochen. Zunächst besteht er aus drei Teilen, die sich rückwärts in der Zeit bewegen - die Spannung entsteht daraus, daß der Erzähler die Kenntnis zurückliegender Ereignisse voraussetzt, obwohl er die Zusammenhänge erst später erklärt. Zweitens gibt es einen erzählerischen Rahmen, der als „Vorwort” zu den drei Teilen ausgeführt ist: ein hochbetagter Schüler Wrights erinnert sich an seinen Lehrer, dem er als junger Mann (aber erst nach den geschilderten Ereignissen) gedient hatte. Zum dritten ist es dessen Enkel, der die Ereignisse erst im nachhinein zusammenträgt und erzählt, und dann seinen Großvater um kommentierende Anmerkungen bittet. Schließlich ist jener Großvater ein Japaner, der aus dem Blickwinkel einer gänzlich anderen Kultur die Personen und die Gründe für ihr Handeln einzuordnen versucht.

Ich hatte anfangs Probleme, mich auf den Roman wirklich einzulassen - das liegt weniger an der außerordentlich artifiziellen Konstruktion, sondern mehr an den Charakteren der beschriebenen Frauen. Wrights zweite Frau Miriam etwa ist eine morphiumsüchtige, zwischen weinerlichem Selbstmitleid und völlig überdrehtem Hochfahren chargierende Persönlichkeit, die in zwei der drei Teile eine zentrale Rolle spielt. Das ist von T.C.Boyle großartig erzählt und beschrieben - ich hatte aber trotzdem ständig das Gefühl, daß ich davon gar nichts wissen will.

Der zweite Kritikpunkt - ok, also doch - betrifft den formalen Aufbau. Der zeitliche Rückwärtslauf ist nicht wirklich begründet, und wirft doch einige Probleme auf - manche Dinge sind schlicht zunächst nicht verständlich, und man muß ein gutes Gedächtnis haben (oder sehr schnell lesen), um das Puzzle hunderte Seiten später doch noch zu lösen. Aus dramaturgischer Sicht macht das allerdings dennoch Sinn: der letzte Teil (und Höhepunkt des dramatischen Verlaufs) endet im Amoklauf eines Wahnsinnigen, der sieben Menschen das Leben kostet - und der spielt relativ am Anfang von Wrights Karriere.

Ich will meine Kritik aber nicht überbewertet wissen: dies ist vielleicht T.C.Boyles schwächster Roman - bei einem Erzähler seines Kalibers wird daraus aber immer noch ein schlichtweg großartiges Buch.

Nachtrag: Im Magazin der SZ findet sich ein Interview mit T.C.Boyle, aus dem sich seine Motivation erklärt, dieses Buch zu schreiben. Er lebt schon seit fünfzehn Jahren in einem Holzhaus, das Frank Lloyd Wright vor hundert Jahren erbaut hat, und ist in diesem Thema somit letztlich „geerdet”.

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