NDR Sinfonieorchester; Alan Gilbert - Mahler, 3. Sinfonie

Musikhalle Hamburg

Nach längerer Enthaltsamkeit war ich gestern Abend in Hamburgs Musikhalle, und habe Mahlers 3. Sinfonie gehört. - Mehr kann ich schon gar nicht sagen; mich hat das eigenartig kalt gelassen und nur wenig berührt. Eigentlich müßte ich ins Schwärmen geraten, wenn ich die Euphorie des Publikums bedenke, mit der es Orchester, Solisten und Dirigenten zum Schluß bejubelt hat - ich habe aber eher den Verdacht, daß dies letztlich mehr über den Zustand des Hamburger Musiklebens aussagt, als über die Qualität der Aufführung.

An diesem Eindruck war wohl mein Sitzplatz zumindest zu gewissen Teilen Schuld: der war zwar in der Mitte des ersten Ranges, aber in der letzten (achten) Reihe, unter dem Balkon des zweiten Ranges und direkt an der Rückwand. Ich vermute, daß die daraus resultierende Akustik (zumindest teilweise) meinen Eindruck erklärt, daß das Orchester an keiner Stelle zu einem Klang gefunden hat, in dem eine Einheit, ein Verschmelzen der einzelnen Instrumente stattfand. Die Instrumentengruppen haben sich nie gemischt, sondern standen, mit unabgestimmten Lautstärken, ohne Bezug nebeneinander. - Sehr kraß - und daran ist dann definitiv nicht mein Sitzplatz schuld - trat dies im vierten Satz zu Tage, als das Frage- und Antwortspiel quer durch die Instrumentengruppen dazu führte, daß man die Stimme des Alt (Alexandra Petersamer) über den Streichern problemlos hören konnte, während er von der Antwort im Blech komplett verdeckt wurde (von deren Kieksern und Intonationsproblemen schweige ich lieber).

Das NDR-Sinfonieorchester ist von den drei Hamburger Orchestern sicherlich das Beste, auch wenn es an keiner Stelle an die wirklich bedeutenden Orchester in München, Berlin, Wien, oder auch Leipzig und Dresden heranreicht. Der Dirigent des Abends, Alan Gilbert, ist leider nur Gastdirigent, der gelegentlich auch neuere Werke zum Repertoire hinzufügt - der derzeitige Chefdirigent, Christoph von Dohnányi, hat mit seinem unbeirrbaren Beharren auf Beethoven, Brahms und co. dafür gesorgt, daß ich mich nur noch sehr gelegentlich in ein Sinfoniekonzert verirre. Was für ein Abstieg: zwischen 2000 und 2005 hat hier Christoph Eschenbach gewirkt (an dem ich durchaus auch so einiges zu meckern hätte): sein Einsatz für die Musik der Moderne hatte u.a. dazu geführt, daß immer wieder Uraufführungen von Werken zu hören waren, die der NDR eigens in Auftrag gegebenen hatte.

Zur gleichen Zeit war Ingo Metzmacher Generalmusikdirektor und für das Orchester der Oper zuständig. Die Philharmoniker sind eigentlich ein Orchester der »C«-Kategorie - unter seiner Leitung war es aber trotzdem in der Lage, qualitativ sehr hörenswerte (und dank der Verpflichtung Peter Konwitschnys für die Inszenierung auch sehenswerte) Wagner-Aufführungen zu realisieren. Seine Nachfolgerin, Simone Young, versucht ja, sich einen Namen zu machen, indem sie eine »Ring«-Tetralogie auf die Beine stellt. Das werde ich mir aber definitiv nicht anhören - unter Youngs Leitung sind die Philharmoniker noch weiter abgerutscht; mir scheint, dort wird jetzt nicht einmal mehr geprobt.

Ach, das waren fünf wirklich ergiebige Jahre: Hans Werner Henze verdankt Metzmacher die Uraufführungen seiner letzten Sinfonien, und hat sich revanchiert, indem er mehrfach nach Hamburg kam. György Ligeti hat hier die letzten Jahre seines Lebens verbracht, und wurde von Eschenbach und Metzmacher hofiert und - vor allem - aufgeführt und gespielt. Die „Hamburger Musiktage”, bei denen eine Woche lang ausschließlich Neue Musik gespielt wurde; Henzes „We come to the River” im Opernhaus (ein unglaublich aufwendig zu realisierendes Werk, für das zahllose exotische Instrumente gefordert werden, und das nur sechsmal aufgeführt werden konnte); eine Aufführung von Schönbergs „Pierrot Lunaire” (Leitung: Metzmacher; eine junge Schauspielerin vom Thalia-Theater (Sylvie Rohrer) in der Sprecherrolle, die wirklich alles gab), die ich auch nach acht(? - nach neun) Jahren noch präzise im Kopf habe - und so weiter, und so fort (ausgerechnet die Philharmoniker unter Metzmacher haben die Aufführung von Mahlers Zweiter zustande gebracht, die mich noch heute verfolgt).

Tja - eigentlich hatte ich vor, über den gestrigen Abend zu erzählen. - Irgendwie habe ich das wohl auch getan.